Ingolstadt
Faible für abgerundete Ecken

Architekt Jürgen Mayer H. stellt seine Visionen für Mobilität und Urbanität im Stadttheater Ingolstadt vor

14.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:37 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Wie leben und bewegen wir uns 2030? Autos, Menschen und Gebäude werden ständig Daten austauschen. Das Auto erkennt die Wege durch Verkehrsleitsysteme. Ampeln und Verkehrsschilder werden abgeschafft, statt mehrspuriger Fahrbahnen gibt es nur noch einspurige, der gewonnene Platz kann für mehr Grün, für die Menschen genutzt werden.

Die Stadt wächst nach innen, der Flächenverbrauch sinkt, die Häuser werden elastisch und passen sich den jeweiligen Gegebenheiten an. Die Menschen werden von pilotierten Autos gefahren, nutzen die gewonnene Zeit anderweitig. Das Auto wird von der „Fahrmaschine“ zur „Erfahrmaschine“, ist eine Kommunikationsplattform. Und das Beste: Die Windschutzscheibe ist Vermittler zwischen Innen und Außen: Der Fahrer kann selbst den Modus bestimmen. Beim „Flirten“ etwa werden die angezeigt, die ebenfalls auf Kontaktsuche sind. Und im Modus „away“ (weg) können die Insassen einfach mal ihre Ruhe haben, werden unsichtbar.

Mit dieser Vision einer digitalisierten Mobilität und Urbanität hat der Berliner Architekt Jürgen Mayer H. 2010 den ersten Audi Urban Future Award gewonnen. Ausgehend von der Notwendigkeit, auf die ökologischen Veränderungen mit ökonomischen, gesellschaftlichen, sozialen und auch ästhetischen Veränderungen zu reagieren. Nun hat der 47-Jährige sein gesamtheitliches Konzept, das er auch ein „Märchen über die Zukunft“ nennt, in Ingolstadt vorgestellt.

Es war eine viel beachtete Auftaktveranstaltung zur Reihe „Visionenwerkstatt“ des Stadttheaters. In Kooperation mit Audi und dem Referat für Stadtentwicklung und Baurecht der Stadt. Und es war ein Glücksfall für die rund 300 Besucher im Foyer des Stadttheaters, dass der Architekt nicht nur seine spannenden Visionen zur Mobilität beschrieben, sondern auch mit Weitblick und feinem Humor seine Gebäude vorgestellt hat. Schade nur, dass dem Vortrag nicht noch eine Podiumsdiskussion folgte.

Mayer H. entwirft weltweit spektakuläre Bauten, Hingucker. Privatvillen, die an James-Bond-Filme erinnern, Grenzstationen in Georgien, die Mensa „Moltke“ der Uni Karlsruhe oder der „Metropol Parasol“ in Sevilla, das wohl öffentlichkeitswirksamste Werk. Einen brachliegenden Platz in der Altstadt der spanischen Stadt hat er in einen gigantischen Parcours aus ineinander verschränkten Turmstrukturen und Plattformen mit einer Vielfalt an Nutzungen verwandelt.

Bei allen seinen Bauwerken hat der preisgekrönte Architekt, der an der Schnittstelle von Architektur, Kunst, Kommunikationsdesign und Neuen Technologien arbeitet, ein Faible für abgerundete Ecken. Sein Formenrepertoire mag an die 70er-Jahre erinnern, Mayer entwickelt jedoch eine eigene markante Sprache für seine futuristischen Gebäude. Inspiration sind ihm Datensicherungsmuster, etwa aus der Innenseite von Bankbriefumschlägen. Rund 300 hat er bereits gesammelt.

Mayer H. bricht in seinen Entwürfen radikal und mutig mit Sehgewohnheiten und entwickelt eine neue Ästhetik, jedoch stets mit Blick auf gesellschaftliche Veränderungen. „Bei Architektur und Stadtplanung gibt es nicht nur einen ökonomischen oder einen ökologischen Aspekt“, sagt er. „Es geht bestenfalls um kulturelle Nachhaltigkeit und darum, soziale und gesellschaftliche Identifikation zu ermöglichen.“ Architekturräume sind für Mayer immer auch Denkräume. Hier und in der Zukunft.

Wie schnell diese manchmal stattfindet, machte Lisa Füting deutlich. Die Mitarbeiterin vom Team der Audi Urban Future Initiative sagte: „Die Ideen von Jürgen Mayer H. von digitalisierter Mobilität sind in unsere Entwicklungen zum pilotierten Fahren eingeflossen.“ Vergangene Woche hatte Audi in der Wüste von Nevada einen computergesteuerten Prototypen vorgestellt.