Ingolstadt
Vielfalt der Gefühle

Der Ingolstädter Jugendkammerchor und der slowenische Chor MePZ Å tefana Kovaca gaben ein gemeinsames Konzert

14.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

Ungewöhnliche Umgebung: Der Jungendkammerchor sang im Bauerngerätemuseum. - Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Musik, insbesondere Gesang, lebt von Emotionen. Auf kaum eine andere Weise lassen sich Gefühlsregungen so stark erlebbar machen, so intensiv nach außen tragen. Wie eindrücklich dies bei einem Chorauftritt gelingen kann, durften die Zuhörer des diesjährigen Hauptkonzerts des Jugendkammerchors Ingolstadt an einem ungewöhnlichen Aufführungsort erleben: Unter dem weit gefassten Titel "Emotio" wagte das junge Ensemble anlässlich seines 35-jährigen Bestehens ein Experiment und sang erstmals in der neuen Veranstaltungshalle des Bauerngerätemuseums in Hundszell mitreißend von Liebe und Hass, Freude und Trauer, Enttäuschung und Sehnsucht aus einem breit gefächerten A-cappella-Repertoire.

Ihm zur Seite stand in einem eigenen Mittelteil der temperamentvolle Partnerchor aus dem slowenischen Murska Sobota, MePZ Å tefana Kovaca.

Sprunghaft-tänzerisch eingeleitet wurde das Programm jedoch zunächst vom Jugendkammerchor selbst unter der Leitung von Eva-Maria Atzerodt, nämlich durch das Blasinstrumente imitierende "Dansbana" (Der Tanzboden) des schwedischen Dichters Birger Sjöberg, bevor ein Block mit deutschen Volksliedbearbeitungen und romantischen Sätzen über die Liebe in all ihren Facetten von Johannes Brahms (neckisch-heiter: "Von alten Liebesliedern", elegisch: "All meine Herzgedanken", volkstümlich-wehmütig: "Da unten im Tale", düster: "Darthulas Grabgesang") und Max Reger (auffordernd-mahnend: "Mädchen mit den blauen Augen") folgte. Einzige sprachliche Ausnahme bildete hier das zu Anfang und am Ende unisono gesummte lettische Volkslied "Gula Meitina" (Das schlafende Mädchen) mit wunderschönen Sopransolo-Vokalisen.

Besonders aufhorchen ließ auch Joachim-Dietrich Links lautmalerische Bearbeitung von "Auf einem Baum ein Kuckuck saß" mit ihren frechen, repetierenden Einwürfen. Mit welcher Wandlungs- und Begeisterungsfähigkeit die jungen Sänger die unterschiedlichen Stimmungen und Klangfärbungen der Lieder auf die Bühne brachten, war wirklich erfrischend.

Der Gastchor aus Murska Sobota, der sich quer durch alle Altersklassen aus Studenten, Berufstätigen und Rentnern zusammensetzt, fühlte sich auf dem Gebiet der Romantik ebenso zu Hause: Geleitet von Tomi BuÅ¡inoski, interpretierte er stimm- und textsicher Mendelssohn-Bartholdys "Frühlingsahnung" und "Die Primel" sowie Brahms' "Wiegenlied". Vor allem überzeugten die slowenischen Sänger aber sowohl mit traditioneller als auch zeitgenössischer Chorliteratur aus ihrer Heimat in Form von Volksliedbearbeitungen und Neuvertonungen bis hin zu Stücken, die neben Gesang noch weitere akustische Überraschungseffekte wie rhythmisches Flüstern und Sprechen, Klatschen, Stampfen oder Lachen bereithalten. Die Freude an solchen reizvollen zusätzlichen darstellerischen Elementen ließ die Formation aus Murska Sobota vor allem in TjaÅ¡a Ciguts "Mati so mi küjpili" (Die Mutter hat es mir gekauft), komponiert zum diesjährigen 50-jährigen Bestehen des Vokalensembles, spürbar werden, aber auch im leidenschaftlichen, teilweise solistisch gesungenen Zigeunerlied "Jaz bi rad cigajnar bil" von Tadjeja Vulc. Absolutes Highlight dieses Abschnitts war allerdings die bewegende Chorversion zu Elton Johns "Can You Feel The Love Tonight" mit Dirigent Tomi BuÅ¡inoski als anrührendem Solisten.

In drei expressiven englischen Madrigalen von John Dowland und Thomas Morley führte dann wieder der Jugendkammerchor zurück in die musikalische Gefühlswelt der Renaissance, eines davon einfühlsam begleitet auf der Gitarre. Morleys "It Was A Lover And His Lass" setzte Chorleiterin Atzerodt sogar in einen direkten Vergleich mit der zeitgenössischen Vertonung desselben Textes durch John Rutter, ehe der Schlussteil mit Z. Randall Stroopes melancholischem Satz "I Am Not Yours" und einem pfiffigen Arrangement des Popsongs "Sweet Dreams" des Duos Eurythmics ausklang. Zwei scheidende Mitglieder verabschiedete der Chor traditionell mit einer Rose und Rheinbergers "Abendlied".

Zum krönenden Abschluss vereinten sich schließlich beide Gruppen wie bereits letztes Jahr in Slowenien zum jubelnden "Wasma, wasma", einem Spiritual aus Ghana, und zu einem rhythmisch mit Schellenring unterlegten hebräischen Hochzeitslied, um sich mit "Goodnight Sweetheart" endgültig von ihrem enthusiastisch applaudierenden Publikum zu verabschieden. So hat nicht nur die musikalische Kooperation zwischen Ingolstadt und Murska Sobota ihre Feuertaufe mit Bravour bestanden, sondern auch der bis dahin in Sachen Chormusik noch jungfräuliche Veranstaltungssaal des Bauerngerätemuseums. Ambiente und Akustik bieten einen schönen Rahmen für größere und kleinere Aufführungen solcher Art, ohne dass der Klang zu trocken oder zu hallig wirkt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Konzertende den Auftakt einer langen, dauerhaften europäischen Chorpartnerschaft besiegelt.