Ingolstadt
Musikalische Märchenstunde

Altstadttheater: Die Gebrüder Grimm treffen auf moderne Popsongs

01.01.2018 | Stand 02.12.2020, 17:00 Uhr

Ines Honsel und Frank Sattler vereinen Märchen und Popsongs auf wunderbare Weise. - Foto: Wirtz

Ingolstadt (DK) Das Rumpelstilzchen in Karosakko und Schlaghose tanzt auf Plateauschuhen zu einem funkigen Beat ums Lagerfeuer. Die Bremer Stadtmusikanten schlagen mit Helene Fischers Dauerbrenner "Atemlos" selbst die schrecklichsten Räuber in die Flucht und das Aschenputtel stiehlt als Königin der Tanzfläche allen anderen Anwärterinnen auf den Thron die Show: Sängerin und Schauspielerin Ines Honsel und Musiker Frank Sattler haben mit ihren "Pop up Stories" im Altstadttheater die Grimm'schen Märchen auf ganz eigene Weise modernisiert.

Man könnte meinen, die Wahlmünchnerin hätte von Frau Holle erzählt und damit den unerwartet starken Schneefall von Freitagnacht heraufbeschworen.

Stattdessen gewinnt sie die Herzen der Zuschauer zunächst als Aschenputtel. Und das mit nicht mehr als ihrer vielseitigen Stimme, einer aufbrausenden Schauspielkunst und den Tönen und Klängen von Soundmeister Frank Sattler. Dieser schafft es mit seinem Keyboard, den Synthesizern und einer Schar an weiteren außergewöhnlichen Instrumenten, sogar die hilfsberei-ten Tauben von Aschenputtel, die Musik einer ganzen Swing-Band oder einen heulenden Wolf auf die Bühne zu bringen.

Das Duo hat alle Hände voll zu tun - ebenso wie die Müllerstochter, die Kammern voll Stroh zu Gold spinnen soll. Ein zaghaftes und verbittertes "Highway to Hell" von AC/DC wird angestimmt, denn der nächste Tag wird kein gutes Ende nehmen, sollte die Müllerstochter die Aufgabe nicht erfüllen können. Die ungewöhnliche Interpretation des Rocksongs wirkt fast wie ein Gebet, sodass man ihn erst am Refrain tatsächlich erkennen kann. Zu Hilfe kommt das Rumpelstilzchen - Mr. Goldfinger, wie es Ines Honsel besingt. Und ihre goldenen Locken fliegen durch den Raum, wenn sie mit vollem Körpereinsatz an diesem Abend gleich drei Märchen ganz allein verkörpert.

Die Art ihrer Erzählweise ist von Beginn an fesselnd. Das Publikum ist schon so in die Märchenwelt eingetaucht, dass Ines Honsel mehrere Anläufe braucht, bis eine Interaktion gelingt. Als das Eis dann einmal gebrochen ist, wird Rumpelstilzchens Name im groovigen Sprechgesang schließlich gemeinsam herausgefunden. Der Sympathieträgerin kann schließlich niemand widerstehen, denn jede noch so ungeplante, spontane Bühnensituation meistert sie mit Witz und Charme.

Doch ihre Wurzeln will die geborene Klagenfurterin trotz ihrer professionellen Ausbildung als Erzählerin nicht verstecken: Eine Übernachtungsmöglichkeit der Bremer Stadtmusikanten wird von schrecklichen Räubern besetzt und diese sprechen auf herrlich-komische Weise in österreichischem Dialekt.

Auch Film- und Musicalhits dürfen nicht fehlen: "Over the Rainbow" aus dem "Zauberer von Oz" in funkiger Version oder "Memories" aus dem Musical "Cats". Welch mitleiderregendes Gejammer wäre passender für eine alternde Katze, die sich für eine zweite Karriere auf den weiten Weg nach Bremen begibt? Wie sollte es auch anders sein: Selbst die Märchenfiguren trifft die Veränderung der Arbeitswelt. Ist der Esel von Arthrose geplagt und nicht mehr arbeitseffizient, bekommen Hund und Katz Hüftprobleme oder grauen Star, werden sie ausrangiert, und der Hahn sollte sogar im Kochtopf garen.

Die Märchen werden so detailreich erzählt, dass das Kopfkino perfekt funktioniert. Unterstützend zu jeder Lebensphase erklingen die mal lauten und mal leisen Töne zahlreicher Balladen wie das jazzige "Everything Must Change" von Quincy Jones oder "That's What Friends Are For" von Dionne Warwick. Gefühlvolle Songs liegen Ines Honsel genauso gut wie die Rollen der Bösewichte. Die Klänge, die von Geräuschvirtuose Frank Sattler eingespielt werden, verleihen den Erzählungen Struktur. Der Abend ist einfach eine Schau!