Ingolstadt
Knisternde Spannung

Martin Spangenberg gastiert mit dem Kuss-Quartett beim Ingolstädter Konzertverein

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Experimentierfreude zählt zu den wichtigsten Eigenschaften des Kuss-Quartetts: Jana Kuss, Oliver Wille, Mikayel Hakhnazaryan und William Coleman gastierten mit Martin Spangenberg in Ingolstadt. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Einen spannungsgeladenen Abend erlebte das Publikum des Konzertvereins Ingolstadt am Mittwochabend. Das Berliner Kuss-Quartett zauberte zusammen mit Martin Spangenberg an der Klarinette scharfe Rhythmen, harmonische Reibungen, aber auch lyrische Momente in den gut besuchten Festsaal.

Bei Beethovens Streichquartett in B-Dur konnten die vier Musiker alle Facetten ihres Könnens unter Beweis stellen: Auf der Stuhlkante ihrer Klavierhocker baute das Kuss-Quartett bei der langsamen Einleitung eine unglaubliche Spannung auf, die sich im Allegro-Teil in Sechzehntel-Motiven entlud. Wie vom Blitz getroffen flogen die Finger der beiden Violinisten Jana Kuss und Oliver Wille über die Saiten, um gleich darauf wieder bei einem elegischen Thema innig zu vibrieren.

Im Presto, dem zweiten Satz des Quartetts, huschten Jana Kuss’ Finger wie selbstverständlich bei den rasanten Läufen über den Hals ihrer Geige und ließen die Musikerin fast von ihrer Stuhlkante abheben, so energiegeladen war sie. Den deutschen Tanz begannen die Vier in einer schlichten Walzerstimmung, ließen ihn aber dann durch eine gut gestaltete Dynamik mit Echostellen knistern. Mikayel Hakhnazaryan bildete mit seinem schlanken, aber doch präsenten Ton am Cello die klangliche Basis zum Spiel der Geigen, das durch William Coleman an der Viola ergänzt wurde.

Mit den nächsten beiden Sätzen des Stückes hob Beethoven die klassische Viersätzigkeit der damaligen Zeit auf und erweiterte die Form des Streichquartetts. Mit der Cavatina ergänzt er einen gesanglichen Satz, dessen Melodie Jana Kuss und Oliver Welle elegisch vortrugen, bevor es mit Attacke in den Finalsatz ging: Die Große Fuge in B-Dur. Mit vollem Bogen begannen die Musiker das chromatische Thema des Satzes, den Beethoven später aus dem Quartett entnahm und als eigenes Werk veröffentlichte. Mit Punktierungen, die sich wie spitze Nadelstiche ins Ohr der Zuhörer bohrten, leitete das Quartett das Fugenmotiv ein, das aber nicht nach Bachschem Vorbild eine simple Fuge bleibt, sondern von Beethoven erweitert wurde: Motive kämpferischer Leidenschaft, aber auch Inseln schwelgender Lyrik zeichnen den Satz aus. Diese manchmal fast atemlose Spannung übertrug das Kuss- Quartett hervorragend auf das begeisterte Publikum.

Musikalische Spannungsbögen zeichneten die vier Musiker auch zusammen mit Martin Spangenberg an der Klarinette bei Mozarts „Stadler-Quintett“. Der Professor an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin und das Quartett übergaben sich die Melodielinien des ersten Satzes nahtlos. Spangenberg zeigte bei seinen solistischen Motiven sonore Tiefen, aber auch schlanke, perfekt intonierte Höhen, durch rasante Läufe verbunden, die auch ihn fast von seinem Stuhl zu heben schienen – so energetisch war sein Spiel. Im Larghetto gaben die Streicher mit Dämpfer und wenig Vibrato der Klarinette eine große Bühne, auf der sich ihre Themen mit der der ersten Violine schüchtern umspielten.

Auch Mozarts Werk weist wie Beethovens eine Besonderheit auf: Das Menuetto enthält zwei Trios. Das erste gestaltete das Kuss-Quartett alleine elegisch, während Spangenberg im zweiten ein eher tänzerisches Motiv leicht entfaltete. Im letzten Satz, dem Allegro mit Variationen, bewies Spangenberg eine unglaubliche Flexibilität: Er meisterte rasante Läufe, Oktav-Sprünge und lyrische Melodien im Moll-Teil über der klagenden Bratsche mühelos. Kein Wunder, dass sich das restlos beeindruckte Ingolstädter Publikum als Zugabe den langsamen Satz des Quintetts erklatschte, der dem spannungsgeladenen Abend ein lyrisches Ende bereitete.