Ingolstadt
Kleine Menschen machen große Ohren

Kinderkonzert in der Ingolstädter Matthäuskirche mit Musikern des Georgischen Kammerorchesters und Andreas Hofmeir

29.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:59 Uhr

"Gartenschlauch aus Gold": Wenn man wie Andreas Heinzmann (links) und Andreas Hofmeir Kindern Instrumente erklären will, muss man schon einmal zu ungewöhnlichen Vergleichen greifen. - Foto: Erl

Ingolstadt (DK) Familienkonzert - das ist fast so wie Flöhe hüten nur mit Violine, Bratsche, Cello, Kontrabass und einem Dirigentenstab. Die "Flöhe" sind in diesem Fall unzählige Kinder vom Krabbelalter an. Und die Menschen, die diese quirlige Ansammlung tatendurstiger kleiner Erdenbürger koordinieren wollen, sind die ehrwürdigen Damen und Herren des Georgischen Kammerorchesters.

Wo sie gewohnt sind, dass ihnen sonst ernsthafte Klassikfans zumeist in reiferen Jahren zuhören, sitzt ihnen in der Ingolstädter Matthäuskirche am Sonntagnachmittag ein komplett anderes Publikum gegenüber.

Die Kirche ist rappelvoll und es brummelt, summt und wabert wie in einem aufgeregten Bienenstock. Die Kinder haben einen erfrischenden Taten- und Bewegungsdrang, das Gotteshaus sprüht förmlich vor jungem Leben, und auch die Eltern und Großeltern teilen diese lockere Atmosphäre. Einer, der diese unruhigen Kids in seinen Bann ziehen kann, ist Andreas Heinzmann, der Dirigent und Leiter dieses ungewöhnlichen Treffens von Jahrhunderte alten Komponisten und lebendiger Jugend. "Es ist einfach toll, liebe Kinder, dass ihr da seid und eure Eltern oder Großeltern überredet habt, mit hierher zu kommen", lobt der Mann mit dem Dirigentenstab. Er hat sich in Sprache und Ausdrucksweise an sein junges Publikum angepasst und findet auch eine bildhafte Umschreibung für das gewaltige Messinginstrument, das der Moderator und Tubist Andreas Hofmeir mit nach vorne bringt. "Wir haben heute das coolste goldene Instrument mit dabei. Es sieht fast aus wie ein Mülleimer, klingt aber besser", sagt Heinzmann, und Hofmeir selbst nennt seine Tuba später einen langen Gartenschlauch aus Gold.

Der welterfahrene Heinzmann geht nicht nur sprachlich auf die Kinder ein, sondern auch in der Auswahl der Kompositionen. Mit dem Weihnachtsoratorium des italienischen Barockkomponisten und Violinisten Arcangelo Corelli stimmt das Georgische Kammerorchester die Zuhörer schon mal auf den klassisch klingenden Advent ein. Hofmeir kommt mit seiner Tuba erst in die ausgewählten Taktfolgen des Konzerts "Winter" aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten" dazu. "Vivaldi klingt wie ein Hund, ist aber ein Komponist", klärt Heinzmann noch schnell auf.

Vor jedem der acht ausgewählten Klangbilder führt der Dirigent die Zuhörer in die komponierten Winterszenen ein, lässt die Geigen beispielhaft wie Eiszapfen klingen oder malt in bildhaften Worten aus, wie der Komponist einen frostigen Wintersturm in machtvoller Orchestermusik schildert. Die Kinder sind ganz Ohr und mit großen Augen dabei, wenn Klassik auf einmal verständlich wird, und eine gewaltige Bilderwelt mit dem Klang der Instrumente abläuft. Hofmeir spielt natürlich kein Streichinstrument. "Das war mir viel zu viel Arbeit, so etwas zu lernen", scherzt er. Er wagt dagegen das Kunststück, den Part der Sologeige durch seine Tuba zu ersetzen. Selbst für die klassikerfahrenen Erwachsenen ist es ein Genuss, wenn Hofmeir die in winzige Elemente zerhackten Noten wie Eiskristalle eines Schneesturms aus der so träge scheinenden Tuba aufwirbelt. Die Orchesterstreicher geben die stürmischen Windböen dazu. Hofmeir hat auch zwei Weihnachtsgeschichten dabei, die er humorvoll in die Stille hinein vorliest.

Es gibt Werke der Klassik, die dürfen bei so einem Konzert einfach nicht fehlen. Die Nussknacker-Tänze von Pjotr Tschaikowski, die Komposition "Air" aus Johann Sebastian Bachs 3. Orchestersuite und natürlich die "Petersburger Schlittenfahrt" von Richard Eilenberg. Dazu legt Hofmeir die Tuba aus der Hand und spielt mal ein "richtiges Orchesterinstrument", einen Glöckchenstab. Zum Finale stimmen alle "Oh du fröhliche" an, bevor auch die Kinder vor Begeisterung minutenlang in die Hände klatschen.