Ingolstadt
Glückliche Musik

Der 86-jährige Chris Barber präsentiert im Audi-Forum Ingolstadt die unbeschwerte Swing-Ära

20.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Ingolstadt (DK) Eigentlich ist der 86-jährige Chris Barber längst noch kein Fall fürs Museum. Außer, wenn er mit seiner Band im Museum mobile gastiert. Der Leiter des Audi-Forums, Stephan Öri, hat nachgezählt: Am Donnerstagabend steht der Posaunist mit seiner Big Chris Barber Band zum siebten Mal hier auf dem Podium.

Die Plätze davor sind seit Langem ausverkauft, das Museum platzt fast aus seinen Nähten.

Selbst wer den Sound dieser großen Band nicht kennen sollte, muss nur ein paar Momente warten, um den Grund für diesen Ansturm zu wissen. Zuvor aber steht Barber noch selber am Mikrofon, nuschelt seine Begrüßung mit verschmitztem Humor und stellt eines klar: "Eine Big Band ist das nicht, es sind nur zehn Leute".

Diese zehn Leute mit ihm an der Spitze aber schaffen Großes und Großartiges. Sie sind beseelt vom Geist und der Dynamik dieser wandelnden Legende, und im Gegenzug sind die Bühne und seine Posaune ein wahrer Jungbrunnen für Chris Barber. Heraus kommt dabei ein Gesamterlebnis, das längst nicht nur musikalische Klänge in Perfektion alleine beinhaltet. Ihr fröhlicher Sound aus der Swing-Ära und die unbeschwert-spielerische und doch perfekt passgenaue Interpretation durch die zehn Männer setzen Glückshormone frei, wie es nur Musik kann, die tief unter die Oberfläche geht. Eben mit Herzblut gespielt. "Glückliche Musik", wie Öri es in seiner Moderation formuliert hatte. Barber schont sich dabei nicht, steuert ebenso wie die anderen seine Soli bei und steht als Sänger am Mikrofon. Die Leidenschaft in seinen Songs stolziert nicht mehr so leidenschaftlich-überschwänglich, wie sie Interpreten aus weit späteren Generationen hineinlegen. Seine Leidenschaft ist aufrichtiger, tiefer, ausdrucksstärker, nachhaltiger. Im Wechsel mit der Posaune streicht er die Töne wie weiche Butter auf frisches Brot. Geschmeidig, appetitlich, verführerisch und genussvoll, aber ohne Völlerei.

Die Boys in der Big Barber Band sind dazu handverlesen. Holz- und Blechbläser, Kontrabass, ein Banjo und das Schlagzeug sind die Grundzutaten. Was die Musiker daraus zubereiten, ist ein wahrer Delikatessenladen an Klängen. Eines dieser Gourmetpralinen offerieren die drei Saxofonisten. Mit Tenor-, Bariton- und dem wuchtigen Basssaxofon geben sie den Leuten geradezu knisternde, zart schmelzende Erotik auf die Ohren. Nur wenig später reichen die Blechbläser mit Dämpfern an den Schalltrichtern schmutzige, in die Breite gezogene Töne nach. Klarinetten schwingen sich zu einem Geplänkel mit dem funkelnden Blech auf, bis die Posaunen für Klarheit sorgen.

Es ist ein Tummelplatz für Fantasien, und es macht Freude, diesen zeitlosen glücklichen Sound zu genießen.

Natürlich gehört "Petite Fleur" von Sidney Bechet in der Bandfassung dazu. Selten ist diese kleine Blume mit großartigem Klarinettensolo so zart beschrieben worden. Es ist Musik, die einfach nur froh macht, reine Lebensfreude und die Leichtigkeit des Augenblicks zelebriert. Selbst das Gospel "When The Saints Go Marching In" wird zu einem Konfettiregen aus funkelnden Tönen, doch es leitet das Finale ein.

Für den Schlusspunkt gibt es in der Big Chris Barber Band nur einen Titel. "Ice Cream" ist seit einem gefühlten Jahrhundert der absolute Schlusspunkt eines jeden wundervollen Abends. Da kennen Chris Barber und seine Männer keine Gnade und keine Zugabe.