Ingolstadt
Fesselnde Leidenschaft

Das Georgische Kammerorchester präsentiert einen mitreißenden Abend im Ingolstädter Festsaal

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:00 Uhr

Was ist Leidenschaft? Die beiden Solisten Linus Roth (links) und William Youn interpretierten Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy beim 6. Abonnementkonzert der Georgier. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Die Leidenschaft stand am Donnerstagabend im Mittelpunkt des 6. Abonnementkonzerts des Georgischen Kammerorchesters. Ausschließlich mit Werken aus der Feder von Felix Mendelssohn Bartholdy luden die Musiker unter dem Dirigentenstab ihres künstlerischen Leiters Ruben Gazarian zu einem durch und durch romantischen Abend ein - mit Musik einer Epoche, die leidenschaftlicher nicht sein könnte.

Ihr Publikum fesseln konnten das Orchester und seine Solisten bei den drei Stücken des Abends in unterschiedlicher Art und Weise.

Beim "Konzert für Violine, Klavier und Orchester in d-Moll" hatte das Georgische Kammerorchester mit Linus Roth an der Geige und William Youn am Flügel zwei renommierte Künstler zu Gast, so dass es auf der Bühne des Festsaals des Stadttheaters Ingolstadt eng wurde. In der für das GKO eher ungewöhnlichen deutschen Orchesteraufsitzung, bei der neben den ersten Geigen die Celli und Kontrabässe saßen, gefolgt von den Bratschen und zweiten Geigen, begleitete das Ensemble verstärkt mit einem Bläsersatz die beiden Solisten. Diese präsentierten ihr technisches und musikalisches Können auf höchstem Niveau: Linus Roth ließ seinen Bogen in den schnellen Ecksätzen auf den Saiten bei rasanten Läufen virtuos springen und die Finger über das Griffbrett gleiten. William Youn verstärkte sein Spiel stets gekonnt auf dem Flügel - und das, obwohl er seinen Solistenkollegen im Rücken stehen hatte. Im langsamen Adagio wählte der Pianist einen weichen, fast tastenden Anschlag für den choralartigen Charakter des Satzes, der mit Roths schwebenden Linien in der Geige verschmolz. Der jugendlichen Leidenschaft des Frühwerks Mendelssohn Bartholdys ließen die gefeierten Profi-Musiker aber nicht ganz freien Lauf, sondern hielten sie etwas gefesselt - vor allem in den Notenpulten, hinter denen sie spielten. Das Orchester verband mit seinen oft kräftigen Tuttipassagen die gemeinsamen Soloparts der Solisten. Nur spärlich kam es gemeinsam mit den Solisten zum Einsatz. Gemeinsam beeindruckten die Musiker mit der technischen und gestalterischen Finesse und ernteten dafür viel Applaus vom Publikum.

Fesselnde Leidenschaft zeigte das Georgische Kammerorchester bei den zwei weiteren Stücken des Abends. In der Konzertouvertüre zum "Märchen von der schönen Melusine" ließen die Orchestermusiker diese Geschichte wie in einer Tondichtung vor den Augen des Publikums aufleben: Lyrisch begannen die Bläser mit dem Motiv der Märchenfigur Melusine das Stück, das die Streicher wellenartig übernehmen. Durch die deutsche Orchesteraufstellung an diesem Abend entstand im Wechselspiel zwischen den ersten und zweiten Geigen ein schöner "Stereo-Effekt" im Konzertsaal. Diese "Wassermotive" plätscherten nicht von ungefähr durch das Orchester: Denn die schöne Melusine muss sich einmal in der Woche in eine Meerjungfrau verwandeln, was sie vor ihrem Mann Raimund verborgen halten soll. Mit fordernden rhythmischen Motiven drängt er danach, das Geheimnis seiner Frau zu lüften, sodass dramatisch leidenschaftliche Orchesterpassagen entstehen, die darin gipfeln, dass Melusine für immer eine Meerjungfrau bleiben muss, weil Raimund ihr Geheimnis entdeckt.

Ebenso mitreißend war an diesem Abend die "Reformations-Sinfonie" Mendelssohn Bartholdys. Der Komponist schrieb sie anlässlich des 300. Jubiläums der Augsburger Konfession 1830, bei der die lutherischen Reichsstände ein Bekenntnis zu ihrem Glauben ablegten. Zusammen mit einem großen Bläsersatz, der auch ein Kontrafagott umfasste, präsentierte das GKO dieses Werk mit geballter Leidenschaft: flexibel und gut aufeinander abgestimmt in den schnellen Passagen, virtuos und leichtfüßig in den tänzerischen Sätzen, gekonnt gefühlvoll in den solistischen Bläserparts, klangstark, aber nie derb, in den heroischen Momenten und immer mit vollem Einsatz dabei.

Dieses Prinzip galt auch für Ruben Gazarian: Mit seinem leidenschaftlichen Dirigat hielt er die Musiker zusammen, warf Einsätze mit Schwung ins Orchester und animierte die Streicher mit Bogenbewegungen, alles zu geben. Nach dem Schlusssatz mit Variationen des Luther-Chorals "Ein feste Burg ist unser Gott" sah man den Musikern ihre Erschöpfung an - aber auch die Freude über einen wirklich langen und begeisterten Applaus ihres Publikums nach einem gelungenen Abend.