Ingolstadt
Die dunklen Seiten im Blick

Der Kunstverein Ingolstadt zeigt eine eindrucksvolle Ausstellung der türkischen Künstlerin Yasam Sasmazer

20.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Bedrohliches Szenario: Yasam Sasmazer stellt in der Galerie im Theater Ingolstadt ihre realistischen Holzskulpturen aus. Die türkische Künstlerin bezieht sich in ihren Arbeiten auf die Schattentheorie C.G. Jungs und die heilende Auseinandersetzung mit diesen dunklen Seiten. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Das passt gerade nicht wirklich zusammen. Hinter dem Budenlabyrinth des Christkindlmarktes auf dem Theatervorplatz in Ingolstadt verbergen sich derzeit ganz andere Welten, spielen andere Gefühlslagen und Zustände, andere Themen und Anliegen eine Rolle. Ängste statt fröhlichen Zusammenseins, Konflikt statt Konsum, Schatten statt Lichterglanz. Nichts von Vorweihnachtsseligkeit oder heimeligem Miteinander. "Dark Matter", so viel wie "dunkle Materie", heißt die eindrucksvolle Ausstellung, die der Kunstverein Ingolstadt in der Galerie am Theater zeigt. Und der Name ist Programm: Die türkische Künstlerin Yasam Sasmazer zeigt verstörende und verstörte, getriebene und angstvolle lebensgroße Figuren, inszeniert sie wirkungsvoll und isoliert voneinander auf weißen Holzplateaus in dem langen Raum der Galerie.

Da kauert eine Frau auf dem Boden, in Schutzhaltung, während um sie herum schwarze Vögel bedrohlich kreisen und sie belagern. Inspiration waren die berühmte Radierung des spanischen Künstlers Francisco de Goya "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" und die legendäre Szene aus Alfred Hitchcocks Film "Die Vögel".

Da sitzt eine männliche Figur in sich versunken und erschöpft auf dem Boden, die Beine von sich gestreckt, dahinter tummeln sich schwarze Ratten. Im Licht als Schatten vervielfacht. Da steht eine Frau umgeben von einem Gewirr von Raupen und anderem Getier. Eine andere hält im Schrei erstarrt ein schwarzes Wesen an den Zügeln. Der eigene Schatten? Ein Ungeheuer? Und am Ende des Raums steht eine abwesend vor sich hinblickende, weibliche Figur mit einem an die Kette gelegten Ungetüm.

Die dunkle Seite der menschlichen Psyche, innere Abgründe, eigene und fremde Konflikte, persönliche Unzulänglichkeiten und das Unheimliche sind Themen der türkischen Künstlerin in dieser Serie von bemalten Lindenholzfiguren, die dem Betrachter in ihrer realistischen Figuration recht nahekommen können. Sasmazer will den Betrachter in der Interaktion mit den Skulpturen mit sich selbst konfrontieren. Inspiriert von der Lehre des Begründers der analytischen Psychologie, C. G. Jung (1875-1961), der den Aspekt des Schattens als Teil des Unterbewusstseins erkannt hat: "Der Schatten ist alles das, was du auch bist, aber auf keinen Fall sein willst." Der Künstlerin geht es darum, wie sie selbst beschreibt, sich den Schatten zu stellen, in der Selbstreflexion möglicherweise einen Weg der Selbstheilung, der inneren Umkehr, der inneren Transformation mit positiven Konsequenzen zu vollziehen: der Metanoia, wie sie auch eine Werkgruppe nennt, aus der einige der Skulpturen der Ausstellung stammen.

Yasam Sasmazer will den Fokus aber nicht nur auf den individuellen Mikrokosmos richten, sondern auch auf gesellschaftliche und globale Zusammenhänge. "Ich lege gerne den Finger in die Wunde. Alles hat zwei Seiten. Man muss nur genau hinsehen."

Dark Matter, Galerie im Theater Ingolstadt: bis 28. Januar, Freitag bis Sonntag und am Feiertag von 12 bis 18 Uhr. Künstlergespräch und Führung am 5. Januar um 16.30 Uhr. www, kunstverein-ingolstadt.de.