Ingolstadt
Absinth, Weltraummission und Akrobatik

10.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:31 Uhr

Hingucker: Parade der Oldtimer auf dem Rathausplatz. Im BBK in der Harderbastei versteigerte Agnes Krumwiede 34 Kunstwerke. - Fotos: Fehr

Ingolstadt (DK) Wahre Fans der Nacht der Museen lassen sich nicht von Nieselregen und 13 Grad abhalten. Mehr als 2800 Besucher haben jede Menge Attraktionen, Konzerte und Führungen erlebt. Ein abwechslungsreicher Kunst-Spaziergang kreuz und quer durch die Stadt.

Gruseln bei "Hinterkaifeck" im Bayerischen Polizeimuseum oder grooven im Museum für Konkrete Kunst? Fahrschule für Kinder oder Arien für Erwachsene? Die Qual der Wahl hatten die Besucher bei der 20. Nacht der Museen. Ein Rundgang im Minuten- und Stundentakt.

17 Uhr, Stadtmuseum: Der Startschuss fällt mit dem Kinderprogramm. Da heuer besonders viele Programmpunkte in den Museen für Kinder eingeplant sind, kommen zahlreiche Familien bereits recht früh. Regenfeste Römer gab es damals wie heute nicht. Deswegen salutieren die Legionäre vor ihren kleinen mit Kettenhemden ausgestatteten Doubles auch in den Hallen des Stadtmuseums.

18 Uhr, Medizinhistorisches Museum: Alraune wie bei Harry Potter, Absinth, wie ihn die Künstler einst tranken. Apothekerin Sigrid Billig hält einen unterhaltsamen und lehrreichen Vortrag im Anatomiegarten über psychotrope - berauschende und giftige - Pflanzen. Vielleicht wäre noch ein Erkältungskräutertee hilfreich gewesen? Es nieselt. Unverzichtbar an diesem Abend: Jacke, Schal und Regenschirm.

18.45 Uhr, Heimatmuseum Niemes und Prachatitz: Kleiner Eingang mit großer Wirkung. Die Geschichte Nordböhmens und des Böhmerwalds werden durch die Anwesenheit von Zeitzeugen greifbar. Vor allem durch Geschichten aus dem Leben ist das Thema auch heute noch interessant: Migranten erleben hier, wie Integration gelingt. Als Gastveranstalter bieten die Egerländer zünftige Musik und Handwerkskunst, die an der Tracht der Anwesenden zur Schau gestellt wird.

19.12 Uhr, BBK: Zum Ersten zum Zweiten, zum Dritten. Agnes Krumwiede startet die Auktion. 49 Aquarelle, Skulpturen und Bilder von 26 Künstlern kommen bei der beliebten Versteigerung in der Harderbastei unter den Hammer. 34 Werke wechseln den Besitzer.

19.32 Uhr: Blick ins Programm: Es ist unmöglich, alle Angebote der elf Museen und Gruppen zu sehen. Unglaubliche Vielfalt. Und viele Menschen sind unterwegs. Familien, Paare, Gruppen, Alt und Jung. Plaudern, zusammenstehen, gemeinsam staunen. Mehr als 2800 Besucher waren es am Ende der Nacht, im vergangenen Jahr etwa 3300.

19.45 Uhr, Rathausplatz: Parken ohne Parkschein. Die Oldtimer dürfen das: Feuerwehrautos, Motorräder, Polizeiautos von anno dazumal aus verschiedenen Sammlungen. Beliebte Fotomotive. Und die Leute fachsimpeln über Jahrgänge und PS.

20 Uhr, Stadtmuseum: Mit den ersten Klaviertönen bringt Brigitte Pinggéra den vollen Barocksaal zum Schweigen. Zwei Italiener treten auf. Lauthalse Begrüßung. Es sind Margret Gilgenreiner und Sascha Römisch. Die beiden scheinen vor lauter Italien-Urlauben die deutsche Interpretation des "Dolce Vita" perfektioniert zu haben. Dem Publikum gefällt's und singt bei den Gesangseinlagen - zwischen den Kurztexten - begeistert mit.

20.05 Uhr, Museum für Konkrete Kunst: Während im Erdgeschoss die Band Fat Toni für den richtigen Groove sorgt, basteln zwei Stockwerke darüber Kinder und Erwachsene bunte Schnippselbilder. Es macht allen sichtlich Spaß. Auch Simone Schimpf, Direktorin des Museums, versucht sich mit Klebestift und Schere - und scheitert am Basteln, wie sie unumwunden zugibt.

20.20 Uhr, Galerie Mariette Haas: Gespräch zwischen Lena Klein und Ben Muthofer inmitten der Jubiläumsausstellung. Der Künstler wurde am 8. Juli 80 Jahre alt.

21.15 Uhr, Kunstverein: Im All unterwegs. Originalbilder und Originalgeräusche der Apollo-11-Mission gesammelt und gesampelt, verfremdet und blinkend in Szene gesetzt. Sphärisch. Die Lichtinstallationen von Cendra Polsner, die Klangwelten von Bernhard Hollinger und Denis Androic - live mit Trompete und Bass verstärkt - sind ein akustisch und visuelles (Weltraum-)Abenteuer.

21.30 Uhr, Audi Museum Mobile: Eine leer gefegte Piazza. Die Masse steht gedrängt und mit Blick in Richtung Vorführraum des Museums: Ein Artist balanciert im Handstand mit einem Brett auf einer Rolle. Die Sängerin Alexis erscheint in einem Lederoutfit, so, als wollte sie selbst gleich als Spionin weiterziehen. Zu viel Trubel? Dann zu den Ausstellungen in den oberen Stockwerken.

21.47 Uhr: Es knattert und poltert, aber der Gang ist drin: Mit dem historischen Postbus geht es in Richtung Innenstadt. Die Fahrten sind beliebt - manchmal mussten die Passagiere warten oder sind einfach in die INVG-Busse eingestiegen.

22 Uhr, Alf Lechner Museum: Ansturm auf Antipasti-Teller. Kunst macht Hunger. Der weitläufige Raum des Museums, stimmungsvoll blau beleuchtet, ist ideal für die Suite für Cello und Reifrock mit Julia Kursawe und Irene Cortina González. Töne und Tanz, Klang und Körper, Stimme und Sound. Das alles ist bezaubernd, federleicht und meditativ.

22.40 Uhr, Kunst-Werk: Das Improtheater g'scheiterhaufen fantasiert über die blonde Mauritius und blödelt über das verflixte Paketband. Draußen wartet Pascal Simon, der eine wetterbedingt verkleinerte Version der Feuershow bietet. Staunen über helle Wirbel und leuchtende Kreise. Applaus!

23.25 Uhr, überall: Noch immer sind viele Nachtschwärmer unterwegs.

Sonntag, 11.22 Uhr, Bauerngerätemuseum: Musikalischer Schlusspunkt mit "Dr. Eisele und die Besen". Obwohl es gestern spät wurde, sind manche Besucher schon wieder wach. Die Erlebnisse des Abends werden ausgetauscht - und sich für nächstes Jahr bei der Nacht der Museen verabredet. ‹Œ