Eichstätt
Gefährliche Spiele

12.05.2011 | Stand 03.12.2020, 2:50 Uhr

Eichstätt (DK) Wenn man zu Zinnfiguren griff, waren das oft aufziehbare und tanzende Soldaten oder gar funktionsfähige Flakscheinwerfer, in den Liederbüchern fand man Texte, die zum Aufbruch nach Osten rufen, und wenn man Würfelspiele auspackte, dann solche mit Titeln wie "Wir fahrn gen Engeland".

In der Zeit des Nationalsozialismus war die gesamte Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen von der Ideologie der Nazis infiltriert. Das zeigt die Ausstellung "Spiel mit dem Reich" in der Eichstätter Uni-Bibliothek Am Hofgarten.

Sie soll zeigen, wie das Nazi-Regime die Forderung des Führers umsetzte, der eine Jugend forderte, in der "das Schwache weggehämmert werden" sollte, und intellektuelle Erziehung als lästig galt. Die radikale Reduktion von Wissen war das erklärte Ziel der Nazis, geistige Bildung betrachtete man als sekundär, Kinder sollten schon beim Spielen zu dem herangebildet werden, wofür man sie später brauchte – zu Fliegern, Kämpfern und Soldaten. Sie hatten zu dieser Erziehungsstrategie keinerlei Ausweichmöglichkeiten und Alternativen.

Zusammengestellt wurden die Exponate dieser Schau von Kerstin Merkel, Honorarprofessorin für Kunstgeschichte an der Katholischen Universität, und Constance Dittrich, der Leiterin der Hofgarten-Bibliothek. Bestückt wird die Ausstellung von den Beständen der UB, aber auch von privaten Leihgebern und Familienarchiven, Museen und vom Historischen Verein.

Den Kern der Schau bildet eine Sammlung handbemalter Zinnfiguren, kreiert anlässlich eines Festzuges zum "Tag der deutschen Kunst", wozu ein Wikingerschiff zwischen Kriegern, Priestern und Priesterinnen gehört. Als wünschenswertes Spielzeug für Jungs galten Elastolin-Figuren von kämpfenden Soldaten, die auch im Musikzug, bei der Uniformpflege oder als stehende Musikanten dargestellt werden. Je harmloser all dies im Spiel daherkam, desto gefährlicher brannte es sich in die Kinderhirne ein. Weiter gezeigt werden Text- und Bildträger wie Kinderbücher, Schul- und Liederbücher, Spiele, dazu HJ-Anstecker. Außerdem gehört zu der Ausstellung eine Abteilung mit Plakatentwürfen, die eine Studentengruppe unter der Regie von Kunstprofessor Horst Köppel angefertigt hat.

Zu sehen sind weiter aus den Beständen der UB Lehrerhandreichungen, kindgerechte Hitlerbiografien oder Jugendzeitschriften, sodann die auflagenstarken Bildbände von Hitlers Hoffotografen Heinrich Hoffmann, der Hitler publikumswirksam als Kinderfreund inszenierte. Dabei spielte Hoffmann bewusst mit dem christlich geprägten Bildgedächtnis, wenn er "den Führer" in der Schutzengel-Pose eines bekannten Andachtsbildes sich zu Kindern hinabgebeugt zeige. So baute der Fotograf das Bild eines Mannes auf, der nie überheblich wirkt und immer Zeit für Kinder hatte.

Öffnungszeiten: Zu sehen bis 26. August, von Mai bis Juli montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 19.30 Uhr, samstags 8.30 Uhr bis 12 Uhr, im August montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 17 Uhr, samstags 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr. Katalog: Kerstin Merkel und Constance Dittrich: Spiel mit dem Reich. Nationalsozialistische Ideologie in Spielzeug und Kinderbüchern, Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2011, 222 Seiten, Preis 29,80 Euro.