Der
Blick zurück

Botho Strauß erinnert sich an sein Elternhaus

24.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Der literarische Rückblick in die eigene Kindheit und damit verbunden auf die Eltern ist wieder hochaktuell, seit Hanns-Josef Ortheil mit diesem Thema Bestseller („Die Berlinreise“) liefert. Eher unerwartet gesellt sich zu diesem Trend ein Buch des eigentlich öffentlichkeitsscheuen Botho Strauß, das eine Adoleszenz in den 1940er und 1950er Jahren in Naumburg und Bad Ems an der Lahn erzählt und dabei die Figur des Vaters (1890–1971) in den Fokus nimmt.

Der kehrte „mit zerschossener Stirn“ aus dem Ersten Weltkrieg zurück, wo er ein Auge verlor. Über solch ein privates Thema hat der große Erzähler, Essayist („Anschwellender Bocksgesang“) und Dramatiker noch nie geschrieben. Den Anlass dafür bietet die Auflösung des elterlichen Domizils nach dem Umzug der Mutter in ein Altersheim.

In seinem fast zärtlichen Porträt des konservativ gesinnten Vaters, der im Osten zu Unrecht enteignet und inhaftiert worden war, um dann im Westen einen bescheidenen Neuanfang zu wagen, liefert Strauß auch einen Schlüssel zum Verständnis der eigenen elitären Stellung im deutschen Literaturbetrieb. Die Vergegenwärtigung der frühen Jahre in der Erinnerung formuliert Strauß in für ihn typischer Prosa: „Das Subjekt tritt in die Aura seiner Damaligkeit.“

Botho Strauß: „Herkunft“ Carl Hanser Verlag München, 96 Seiten, 14,90 Euro.