"Das Drehbuch überlasse ich gern Profis"

10.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:58 Uhr

Antje Wagner studierte deutsche und amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften in Potsdam und Manchester. Sie debütierte 1999 mit dem Roman »Der gläserne Traum« und schreibt seitdem für Erwachsene und Jugendliche und übersetzt auch aus dem Englischen. - Foto: Hannes Windrath

Antje Wagner über die Verfilmung ihres preisgekrönten Romans "Vakuum".

Sicher ist es eine Ehre, wenn ein Buch verfilmt wird. Doch Sie schreiben nicht selbst das Drehbuch. Ist das nicht ein Wagnis, weil Sie bekannt dafür sind, dass Sie jeden Satz durchdenken, kein Handlungsstrang zufällig ist?

Antje Wagner: Ich hab mich wahnsinnig gefreut, als ich erfahren habe, dass mein Buch verfilmt werden soll. Und wissen Sie, wie froh ich bin, dass ich nicht gefragt wurde, ob ich selbst das Drehbuch schreiben möchte? Sie meinten, es wäre vielleicht Wagnis? Ich muss Ihnen sagen: Es wäre eins, wenn ich es täte. Ein ziemlich großes sogar … Prosa zu schreiben und ein Drehbuch zu schreiben – das sind zwei völlig verschiedene Schuhe. Ich hab null Ahnung von Drehbuch. Drehbuch ist kein erzählendes Schreiben wie in Prosa, sondern szenisches. Die Struktur eines solchen Texts ist eine komplett andere als eine Prosastruktur. Es geht vor allem um Dialoge, Handlungsanweisungen, Kameraanweisungen und Szenenübergänge, um Lichtsituationen und Orte – es wird auf einer Bildebene gearbeitet, es geht auf Zeitpunkte hin. Ich bin echt glücklich, dass sich mit Damir Lukacevic nicht nur ein wunderbarer Regisseur, sondern auch ein erstklassiger Drehbuchautor des Buches annimmt. Ich selbst würde das garantiert versemmeln, und das täte mir sehr leid.

In „Vakuum“ gibt es bedrohlichen Nebel. Kann bei der Verfilmung die eigentliche Bedeutung des Nebels nicht verflachen und schließlich zum reinen Gruselelement verkommen?

Wagner: Eine Verfilmung ist ja in fast allen Fällen eine Art Auswahl aus dem Stoff, den ein Roman anbietet. Man schafft das nicht, einen kompletten Roman mit allen Handlungsebenen, Backstories von Figuren, Verwicklungen in neunzig Minuten zu bekommen. Das heißt, ein Film trifft immer eine Entscheidung für bestimmte Buchelemente: Figuren, Handlungsstränge, Zeitebenen. Einiges fällt unter den Tisch – das ist aber ganz normal. Dass der Nebel zum bloßen Gruselelement verkommt, kann immer passieren.

Aber doch weniger im Buch? Ist das Medium Film nicht anfälliger?

Wagner: Es kommt immer auch ein bisschen auf die Leserin oder den Zuschauer an – lassen diese es zu, dass Text oder Film mit ihnen kommunizieren? Dass sie etwas anregen oder auslösen, was in ihnen selbst verborgen liegt – oder sehen sie den Nebel bloß als Gruselelement an? Das Buch bietet beide Ebenen an: Man kann es als Horrorroman lesen, aber auch als Entwicklungsroman, der uns etwas über verdrängte innere Schrecken erzählt, die sich – als Bild – eben „im Nebel“ verbergen. Weil Damir Lukacevic mich bat, zwei Seiten Fragen zu beantworten, bevor er mit der Drehbucharbeit begann, weiß ich, dass es ihm sehr wichtig ist, den Roman so zu verstehen, wie ich selbst ihn – idealerweise – gern verstanden hätte. Ich glaube deshalb nicht, dass der Nebel nur Dekoration sein wird.

Haben Sie auch ein Mitspracherecht bei der Besetzung der im Buch genau gezeichneten Figuren?

Wagner: Normal ist es wohl so, dass man als Autorin doch recht außerhalb eines solchen Prozesses steht. Die Produzentin Ingelore König meinte, sie hätte sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Romanautorin oder den Romanautor in den Prozess mit einzubeziehen. Und so stehen der Regisseur und ich in Kontakt. Wie Figuren allerdings besetzt werden oder die Handlung in eine Filmhandlung umgesetzt wird – das überlasse ich gern den Profis.

Wie kam der Verkauf der Filmrechte zustande?

Wagner: Bei mir ist das auf eine etwas ungewöhnliche Art passiert. Der Regisseur selbst hat mich angeschrieben. Er hatte mein Buch gelesen und war von dem Stoff und der Form so begeistert, dass er mich bat, es verfilmen zu dürfen. Ich selbst wiederum war völlig baff und total glücklich, und wissen Sie: Manchmal erfüllt sich ein Traum, den man gar nicht gehabt hat! Ich hab ehrlich nicht an eine Verfilmung gedacht. Ich habe von einem Hörbuch oder einer Übersetzung geträumt. Aber Film? Unvorstellbar. Ich war hochgradig begeistert und ich habe dann natürlich umgehend Steven Spielberg abgesagt!

Wissen Sie, in welchem Zeitrahmen mit dem Film zu rechnen ist?

Wagner: Wann der Film herauskommt, weiß ich leider nicht. Momentan wird das Drehbuch geschrieben, allein das dauert ein dreiviertel Jahr. Die Dreharbeiten selbst dauern normalerweise nur ein paar Wochen. Wie die Nacharbeit aussieht – ich weiß das leider nicht. Vielleicht nächstes, vielleicht übernächstes Jahr? Falls sich die Möglichkeit ergibt, bei den Dreharbeiten zuzuschauen, würde ich das selbstverständlich gern machen.

Sie haben momentan ein Stipendium. Woran schreiben Sie gerade?

Wagner: Momentan gehe ich ein bisschen fremd. Ich habe kürzlich mal wieder ein Manuskript für Erwachsene fertiggestellt: einen Band mit sinnlichen Erzählungen. Eine Art geheimnisvoll-erotischer Kettengeschichte, an deren Ende sich ein Rätsel löst. Den Band habe ich gerade meiner Agentin gegeben, die hoffentlich einen Verlag dafür findet. Ich möchte das Buch unter einem offenen Pseudonym veröffentlichen. Und im Moment beende ich einen mysteriösen Roman für Erwachsene. Er hat ebenfalls sinnliche Elemente und soll unter demselben Pseudonym erscheinen.

Hat Ihr Aufenthaltsort (Stipendium in Dilsberg/Neckargemünd) einen Einfluss auf Ihr Schreiben?

Wagner: Für diesen Roman ist es von großem Vorteil, hier auf der Burg zu arbeiten – die morbid-romantische Atmosphäre, die die alten Gemäuer ausströmen, sind echt inspirierend für einen spukigen Roman. Im Sommer möchte ich einen neuen Jugendroman beginnen – ich hab schon eine ziemlich unheimliche Idee im Kopf. Sie wissen ja, ich fühle mich vom Düsteren angezogen.

Das Gespräch führte Barbara Fröhlich.