Ingolstadt
Platz eins für den Zweitbesten

Jugendpreis des Ingolstädter Kurzfilmfestivals 20minmax verliehen

24.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:00 Uhr
Der Gewinnerfilm "Second Best" handelt von Zwillingsschwestern, die von einer überehrgeizigen Mutter gegeneinander ausgespielt werden. −Foto: Foto: 20minmax

Ingolstadt (DK) Ein Filmfest lebt von kluger Komposition. Ein Wechsel der Emotionen, eine Achterbahnfahrt zwischen Anspannung und Entspannung, ein bunter Mix der Stile - genau das erleben die Besucher des Ingolstädter Kurzfilmfestivals 20minmax. Auch bei der Verleihung des Jugendpreises am Dienstagvormittag fasziniert die filmische Vielfalt die Zuschauer in der voll besetzten Werkstattbühne.

Der Zweitbeste landet an diesem Tag auf Platz eins: Der australische Kurzfilm "Second Best" wird von der Jugendjury mit dem 20minmax-Jugendpreis prämiert. Die Jury bezeichnet die Geschichte eineiiger Zwillingsschwestern und ihrer überambitionierten Mutter als "filmisch perfekt gelungene Leistung". Sie behandle ein interessantes Thema auf eine ernste und zugleich lustige Art und Weise. "Das überspitzte Auftreten der Mutter und das unzertrennliche Band der beiden Schwestern ruft dem Zuschauer ins Gedächtnis, dass Familie viel wichtiger ist als andere Dinge im Leben", heißt es in der Jury-Begründung.

Eröffnet wird die Filmvorführung für die Jugend von dem fantastischen Film "The Accordion Girl". Er handelt von der Geschichte eines Mädchens, das statt einer Taille von dem Balg eines Akkordeons in der Körpermitte zusammengehalten wird. Auch ohne Worte begreift der Zuschauer rasch die missliche Lage des Mädchens. Ihre zwischen Angst und Entschlossenheit wechselnde Mimik, die kämpferische Haltung ihres Körpers und zugleich der Kampf gegen eben diesen transportieren alles, was dieses Märchen erzählen möchte.

"Oksijan", der zweite Film, ist dagegen kein bisschen märchenhaft, sondern bittere Realität. Der Zuschauer wacht gemeinsam mit dem siebenjährigen Afghanen Ahmad in einem Kühllaster auf. Gemeinsam mit seinem Bruder und 13 weiteren Flüchtlingen versucht Ahmad, auf diese Weise illegal nach Großbritannien einzureisen. Doch die Lüftung des Lasters versagt und der LKW-Fahrer macht keine Anstalten, die nach Sauerstoff ringenden Menschen an die frische Luft zu lassen. Nun stehen die Flüchtlinge vor der Entscheidung: Die Polizei um Hilfe rufen oder lieber den Tod riskieren? Dieser nervenaufreibende Film dauert nur 19 Minuten, doch er fühlt sich streckenweise unendlich an. Mit düsteren Bildern gelingt es Regisseur Edward Watts, dass der Zuschauer den Dreck, die Enge und die Hitze aus der Perspektive der Flüchtlinge wahrnimmt, ja ihre Verzweiflung am eigenen Körper spüren kann. Zurück bleibt ein schreckliches Gefühl, ob der Tatsache, dass noch immer viele Menschen Ahmads Schicksal teilen.

Nach diesen intensiven Eindrücken ist es schwierig, sich frohgemut auf den nächsten Film einzulassen. Allerdings haben Festivalorganisator Marcel Aigner-Spisak und sein Team die Filme an diesem Tag perfekt aufeinander abgestimmt. Es folgt "The Gas Station", der vom merkwürdigen Aufeinandertreffen eines grummeligen Tankwartes mit einer attraktiven Kundin erzählt. Die Unterhaltung der beiden über Feuerzeuge und Brüste ist so herrlich abstrus und doch leidenschaftlich diskutiert, dass die düstere Stimmung in der Werkstattbühne wieder verfliegt.

Dabei hilft auch "Downside Up", ein fabelhafter Film, der herrschende Verhältnisse einfach einmal umkehrt. Denn hier geht es um eine Welt, in der jeder Mensch das Down-Syndrom hat. Bis eines Tages Eric geboren wird. Er ist anders, statt drei Chromosomen besitzt er zwei. Kritisch beäugt wird seine Fähigkeit, die Schnürsenkel zu perfekten Schleifen zu binden. Hinterfragt wird sein Widerwillen, andere andauernd zu umarmen. Der Druck auf den andersartigen Eric wird immer größer, bis er sich diesem beugen will. Dann aber kommt alles anders, seine Andersartigkeit bereichert die Welt und zeigt: Wir sollten auch Platz für Menschen lassen, die nicht der gewohnten Norm entsprechen.

Jessica Roch