Berlin
In den Fängen der Salafisten

Das Erste zeigt heute den brisanten Zweiteiler "Brüder"

21.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Bei der Wache sprechen Jan (Edin Hasanovic) und Mimoun (Dennis Mojen) über Mimouns Sehnsucht nach seiner Ex-Freundin. - Foto: Aladag

Berlin (DK) Eigentlich sollte der TV-Zweiteiler "Brüder" im Abstand von einer Woche jeweils am Mittwoch ausgestrahlt werden. Kurzfristig hat man sich bei der ARD dazu entschlossen, beide Teile an einem Abend zu zeigen. So kann man in zweimal packenden 90 Minuten am Stück die Verwandlung eines deutschen Studenten in einen Salafisten mitverfolgen.

Teil 2 etwas später am Abend zu zeigen ist eine kluge Entscheidung, sind doch die Szenen im IS-Camp (gedreht in Marokko) kein leichter Tobak.

Jan lebt in Stuttgart, studiert Informatik, hat sich von seinem dominant-herrischen Vater abgewandt und ist auf der Suche nach dem Sinn und Ziel des Lebens. Sein Mitbewohner Tariq (Erol Afsin), ein Arzt im Praktikum, hat ganz andere Sorgen: Seine Eltern und sein Bruder sind in Syrien eingeschlossen, seine Schwester ist auf der Flucht. Eines Tages lernt Jan den salafistischen Prediger Abadir Ha-sanovic (Tamer YiÄŸit) kennen und ist bald fasziniert von dem charismatischen Anführer. Er tritt zum Islam über. Als Tariqs vom Krieg in Aleppo traumatisierte Schwester Samia nach Stuttgart kommt und von ihren Erlebnissen auf der Flucht erzählt, radikalisiert sich Jan immer mehr. Er überredet Tariq, sich von Hasanovic helfen zu lassen, um den Rest seiner Familie aus Syrien zu holen. Dort wird Jan vom IS gekidnappt, rekrutiert und zum islamischen Kämpfer ausgebildet.

"Brüder" in der Regie von Züli Aladag und nach dem Drehbuch von Züli Aladag und Kristin Derfler nach deren Buchvorlage schildert mit exaktem Blick und realitätsnah die Radikalisierung eines jungen Mannes, der gelangweilt, zornig und desillusioniert zugleich ist. Dem setzen die Macher mit dem syrischen Freund die Figur eines westlich orientierten Moslems gegenüber, dessen Familie nur ein Ziel hat - weg aus der Heimat.

Edin Hasanovic, der im vergangenen Jahr in dem ARD-Wettmafia-Thriller "Auf kurze Distanz" brilliert hat, spielt diesen Jan sorgfältig und sehr glaubwürdig. Wie er in Kontakt mit der Szene kommt, die Rituale kennenlernt und verinnerlicht und schließlich konvertiert, das schildert Teil 1, die Ausbildung zum Kämpfer, die Gräueltaten des IS und die Rückkehr zeigt Teil 2, der dichter und spannender, aber auch gewaltsamer inszeniert ist. Da wird aus dem Drama ein echter Thriller, man weiß lange nicht, mit welchen Absichten Jan aus Syrien heimkehrt. "Das Schwierigste in der knapp drei Jahre währenden Stoffentwicklung war, einen aktuellen Film zu schreiben unter Berücksichtigung des politischen Tagesgeschehens, denn die Lage in Syrien und im Irak veränderte sich ständig", sagt Kristin Derfler. Und laut Verfassungsschutz ist die Ausreisedynamik wirklich abgeflaut, vor allem, weil der IS zunehmend unter Druck geraten ist.

Der Film will aber nicht tagesaktuell sein, sondern aufzeigen, warum sich ein normaler junger Mann dem Islam verschreibt und radikalisiert. Einer, der auf diesem Weg war, aber rechtzeitig umgekehrt ist, kommt im Anschluss an den fiktionalen Zweiteiler in der Doku "Sebastian wird Salafist" zu Wort.

Heute ARD-Themenabend: Deutsche Glaubenskrieger, "Brüder", Teil 1 und 2, 20.15 und 23.45 Uhr.