Augsburg
Glücksfall in schweren Zeiten

Theater im Ausweichquartier: Augsburg zeigt Giuseppe Verdis Oper "Otello" in der kargen Kongresshalle

23.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Augsburg (DK) Als hätte es das Theater Augsburg nicht schon schwer genug. Seit der Schließung des Großen Hauses ist man auf Wanderschaft und zieht von Provisorium zu Provisorium. Um die Sanierung der Hauptspielstätte gab es einen monatelangen unerfreulichen Streit.

Nun steht in dieser schwierigen Zeit auch noch ein Intendantenwechsel an. Und dann tritt bei der Premiere in der Kongresshalle von Verdis "Otello" Intendantin Juliane Votteler vor das Publikum. Selten ein gutes Zeichen.

Ausgerechnet Antonio Yang, der die Partie des Jago singt, fühlte sich krank, sein Ersatz Olafur Sigurdarson saß für einen eventuellen Einsatz schon im Orchestergraben. Aber Yang hielt nicht nur durch, er war einer der Garanten für einen Opernabend, der den Eindruck erweckt, als wolle das Ensemble den schwierigen Rahmenbedingungen bewusst trotzen.

Die greift auch das Produktionsteam um Michaela Dicu auf. Zentrales Element der schrägen Bühne sind Matratzen, die Insel Zypern, auf der die Oper spielt, erscheint als ein Unort im Irgendwo, eine traurige Landschaft des Übergangs, in der dennoch Feste gefeiert werden. Assoziationen zur Gegenwart sind ausdrücklich erwünscht. Der 60er-Jahre-Betoncharme der Kongresshalle passt gut zu dieser nüchternen Bühnenkulisse.

Im "Otello" Verdis und seines Librettisten Arrigo Boito ist die Handlung hoch verdichtet. Jago spinnt die Intrige, weil er bei einer Beförderung übergangen wurde. Er schürt die tödliche Eifersucht Otellos, der bringt schließlich Desdemona um und anschließend sich selbst. Die Musik dieses späten, sehr Wagnerschen Verdi ist ebenso konzentriert und kompakt, und zum Glücksfall in Augsburg wird, dass die hervorragenden Solisten ein gesangliches Kraftzentrum bilden, in dem sie sich zunehmend und gegenseitig steigern.

Da schaffen Zurab Zurabishvili als Otello, Antonio Yang als Jago und, einmal mehr, Sally du Randt als Desdemona Hörerlebnisse von großer Wucht, expressiver Emotionalität und poetischer Intimität. An ihrer Seite glänzen auch Ji-Woon als Cassio und besonders Kerstin Descher als Emilia sowie ein großer Chor, die alle zusammen mit dem Orchester zunehmend eine Einheit bilden, in der die musikalischen Nuancen Verdis ebenso ausgeleuchtet werden wie die dramatischen Passagen, etwa die musikalische Beschreibung des Sturms am Beginn.

Dass der Ausweichspielort gerade bei der szenischen Inszenierung zu Unzulänglichkeiten und Kompromissen führt, nimmt man in Kauf. Der Schwerpunkt dieses Otello ist eindeutig auf der musikalischen und gesanglichen Seite. Aber schon bei Puccinis "Tosca" in der Schwabenhalle und sogar beim konzertanten "Idomeneo" konnte man den Eindruck gewinnen, dass die widrigen Umstände in Augsburg weniger Resignation als ein großes "Trotzdem" hervorrufen. Gerade im Musiktheater, also in der Sparte, in der das Theater Augsburg in der Intendanz von Juliane Votteler am meisten Profil zeigt, scheint daraus sogar eine kraftvolle, frische Motivation entstanden zu sein. Und irgendwie ist Theater ja auch deshalb so wichtig: als Hort des Optimismus in schwerer Zeit.

Weitere Vorstellungen: 2., 11., 19., 29. März und 11., 16., 24., 29. April. Telefonische Kartenbestellung unter: (08 21) 3 24 49 00.