Wolnzach
Fruchtig-herb statt hopfig-bitter

Hopfenforschungszentrum Wolnzach-Hüll reagiert mit neuen Sorten auf Trends aus den USA

11.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:55 Uhr

Foto: Horst Richter

Wolnzach (DK) Hopfen und Malz, Gott erhalt’s – dieser Spruch wird auch künftig in Bayern gelten. Nur dass das Bier künftig nicht mehr nur den hopfig-bitteren Charakter besitzt. Fruchtige Aromen sind beim Gerstensaft gefragt, und so züchtet das Hopfenforschungszentrum in Wolnzach-Hüll völlig neue Sorten.

Der internationale Hopfenkongress im Juli hatte es deutlich gemacht: Der Markt befindet sich komplett im Umbruch. Junge Leute verlangen nach neuen Biersorten, deren Basis nicht mehr der übliche Bitterhopfen ist, sondern Spezialsorten, die nach Melone, Zitrone oder Waldbeeren schmecken. Die USA gelten als Weltmarktführer, wenn es um solche Züchtungen geht, und sie wollen Deutschland bei der Anbaufläche schon bald als größte Hopfennation der Welt überholen. Ein Titel, mit dem die Hallertau sich noch schmückt. Die Entwicklung sei aber kein Grund zur Resignation, lautet die Devise im Hopfenforschungszentrum Wolnzach-Hüll (Kreis Pfaffenhofen). Schon gar nicht will man sich vorwerfen lassen, Trends verschlafen zu haben.

„Wir stehen weltweit in Kontakt mit Brauern und Hopfenhändlern“, sagt Elisabeth Seigner als Leiterin der Hopfenzüchtung des vom Freistaat Bayern und der Gesellschaft für Hopfenforschung getragenen Instituts in Hüll. „Ab 2005 haben wir immer wieder gehört, dass in den USA mehr Spezialaromahopfen angebaut wird. Ein Jahr darauf haben wir mit einer eigenen Züchtung reagiert.“

Herausgekommen ist ein Produkt, das sich „Mandarina Bavaria“ nennt; es kombiniert ein hopfiges Grundaroma mit Mandarinen- oder Zitrusnoten. Inzwischen gibt es längst Biere mit dieser Sorte zu kaufen. „Man weiß nie, ob so etwas nur Modeerscheinung ist“, erläutert der technische Leiter der Züchtungsforschung, Anton Lutz. Er ist maßgeblich an allen neuen Kreuzungen beteiligt. Zwei weitere Spezialaromasorten, die seine Handschrift tragen, nennen sich „Hallertauer Blanc“ mit Geschmacksnuancen von Mango, Stachelbeere und Weißwein sowie „Huell Melon“ mit einem Hauch von Honigmelone, Aprikose und Erdbeere.

Zwei ganz neue Zuchtstämme sind gerade im Werden, derzeit noch ziemlich kryptisch unter 2010/72/20 und 2010/08/33 geführt – der erste soll nach Johannisbeere und Birne schmecken, der zweite nach süßen Früchten und Himbeeren. „Das hat aber nichts mit Genmanipulation zu tun“, betont Lutz. „Die Nuancen rühren von den rund 400 Ölkomponenten oder Aromastoffen im Hopfen her.“ Am Reinheitsgebot kommen die Hüller Hopfenzüchter nicht vorbei, das wollen sie auch gar nicht. Eine neue Sorte braucht bis zu zwölf Jahre, bevor sie angemeldet werden kann.

Jede Neuzüchtung bedeute ein Risiko – „für uns, aber auch für die Hopfenhändler und Pflanzer, die uns unterstützen“, sagt Anton Lutz. „Wir wissen ja nie, ob ein gewünschtes Aroma nur beim Zerreiben der Dolden zu riechen ist oder ob man es auch später im Bier schmeckt.“ Bisher lagen er und sein Team stets richtig. „Wir achten bei allen Trends aber immer auf eine hopfige Grundnote für eine breitere Akzeptanz.“

Die Arbeit im Forschungszentrum Hüll wird nicht ausgehen, selbst wenn die USA flächenmäßig mal größte Hopfenanbaunation sein sollten. „Wir fahren dreigleisig, mit traditionellen Sorten, dem Hochalphahopfen mit mehr Bitterstoffen und den neuen Spezialaromasorten. Damit sehen wir uns auf der richtigen Spur“, sagt Elisabeth Seigner. „Wir können alle Nachfragen bedienen.“ Noch dazu würden die Amerikaner mit ihrer Spezialisierung auf die neuen Fruchtaromasorten den klassischen Markt den Deutschen überlassen. „Da kommen für unseren Hochalphahopfen die USA, Südamerika und China als neue Absatzgebiete dazu“, sagt ihr Kollege Lutz.

Die Entwicklung in Amerika, wo Craft-Bier – also handwerklich in Kleinmengen hergestellter Sud mit Spezialaromen – weiter im Kommen ist, bietet dem Markt neue Chancen. „Die Hopfennachfrage steigt weltweit, weil mehr eingesetzt wird, auch durch Zugabe von Hopfen ins fertige Produkt, um mehr Aromen reinzukriegen“, sagt Elisabeth Seigner. In Deutschland gehe der Absatz ebenfalls nach oben, haben sie und ihr Team festgestellt. Denn Bockbier, Dunkles, Märzen und andere Spezialbiere würden wieder deutlich mehr verlangt.