Schrobenhausen
Dem Amt ist der Mindestlohn nicht genug

Asylbewerber findet Arbeitsplatz in Schrobenhausen, doch die Arbeitsagentur verweigert die Zustimmung

24.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Die beiden sind sich einig, doch die Genehmigung der Arbeitsagentur fehlt: Truore Boukary aus Mali hat sich an seinem potenziellen Arbeitsplatz in der Schrobenhausener Registerstanzerei Braun bereits umgeschaut. Firmenchef Burkhard Braun würde den 28-jährigen Asylbewerber gern beschäftigen. "Er könnte morgen anfangen", sagt Braun. In seinem Betrieb werden unter anderem Telefonbücher mit dem alphabetischen Register versehen, das das Finden und Aufschlagen der richtigen Seite erleichtert. - Foto: Wöhrle

Schrobenhausen (DK) Truore Boukary kam vor einem Jahr als Asylbewerber nach Schrobenhausen. Nun hat er einen Arbeitsplatz gefunden. Die Registerstanzerei Braun würde ihn als Hilfskraft einstellen - zum Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Doch der Arbeitsagentur ist das zu wenig.

Seit vergangenem Oktober lebt Truore Boukary in Schrobenhausen. Zunächst war er in der Stadthalle untergebracht, dann wurde er in die Asylunterkunft in der alten Grundschule verlegt, wo er zusammen mit mehreren anderen in einem ehemaligen Klassenzimmer lebt. Seit seiner Ankunft waren es die vorrangigen Ziele des 28-Jährigen aus Mali, der zu Hause eine Frau und fünfjährige Zwillingsbuben hat, möglichst schnell Deutsch zu lernen und in Arbeit zu kommen. Mittlerweile lernt er die Sprache an der vhs, und auch mit einem Arbeitsplatz schien es zu klappen. Boukary wurde von sich aus aktiv, meldete sich bei der Agentur für Arbeit und bekam daraufhin mehrere Vermittlungsvorschläge. Auf eigene Faust stellte er sich bei den jeweiligen Unternehmen vor und wurde tatsächlich fündig. In der Registerstanzerei Braun in Schrobenhausen wurde dem Asylbewerber ein Arbeitsplatz angeboten - als Hilfsarbeiter in der Produktion.

Ende August reichte der 28-Jährige mit Unterstützung durch Reinhold Hautmann vom Schrobenhausener "Helferkreis Asylbewerber" einen Beschäftigungsantrag beim Ausländeramt im Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen ein. Truore Boukary, so heißt es darin, will als "Helfer in der Produktion" zu einem Stundenlohn von 8,50 Euro, dem offiziellen Mindestlohn, arbeiten. Das Ausländeramt leitet solche Anträge an die Agentur für Arbeit weiter, wo sie geprüft werden. Von der Agentur für Arbeit kommt auch die Zu- oder Absage. Das Ausländeramt erstellt dazu einen rechtsgültigen Bescheid, der dann an den Antragsteller weiterübermittelt wird. Fast fünf Wochen musste Boukary warten, bis er Post vom Ausländeramt des Landkreises bekam - und es war nicht die erwartete Genehmigung, sondern eine Absage. In den Brief heißt es: "Die Beschäftigung kann nicht gestattet werden. Laut Aussage des zuständigen Vermittlers der Agentur für Arbeit Ingolstadt entspricht die Entlohnung nicht den tariflichen/ortsüblichen Bedingungen. Ortsübliches Entgelt wäre 12,00 Euro in der Stunde." Die Begründung für diese Ablehnung erfährt man bei der Arbeitsagentur auf Nachfrage. Bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern müsse die Bezahlung dem ortsüblichen Entgelt entsprechen. Dieses ortsübliche Arbeitsentgelt werde auf Grundlage des "Entgeltatlasses Bayern" ermittelt. "Liegt das vom Arbeitgeber im Antrag angegebene Entgelt unter dem ortsüblichen, wird er von der Agentur für Arbeit vorab darauf hingewiesen und kann das Entgelt entsprechend anpassen. Geschieht dies nicht, wird der Antrag auf Arbeitserlaubnis abgelehnt", teilt die Agentur für Arbeit Ingolstadt mit.

Seither ist nicht nur die Enttäuschung, sondern auch die Empörung groß. Firmenchef Braun kann über die Entscheidung nur den Kopf schütteln. "Fakt ist, dass bei uns kein Hilfsarbeiter mehr als 8,50 Euro in der Stunde verdient. Und viele sind schon seit Jahren dabei und können viel", erklärt er. Sogar geschulte Maschinenführer, also Fachkräfte, bekämen in seiner Registerstanzerei nicht die geforderten 12 Euro Stundenlohn. Die Einschätzung der Marktlage durch die Arbeitsagentur hält Braun für völlig realitätsfern. Seine Branche ist seit Jahren durch die Konkurrenz aus Tschechien, Polen und Ungarn schwer gebeutelt. "Wir sind so ziemlich die Letzten, die das noch in Deutschland machen", versichert er.

Braun zeigt sich "frustriert" über das Vorgehen der Agentur für Arbeit. Und er verweist darauf, dass die Ingolstädter Behörde noch im Januar den Antrag eines anderes Asylbewerbers, dem er einen Arbeitsplatz für 8,50 Euro die Stunde anbot, genehmigt habe. Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, verlangt das Amt auf einmal 12 Euro als branchenüblichen Satz - für eine ungelernte, kaum Deutsch sprechende Hilfskraft.

Braun versichert, dass er Boukary noch immer gerne eine Chance geben würde. "Er könnte morgen anfangen", betont der Firmenchef. Jedoch nicht für einen Stundenlohn von 12 Euro, denn: "Das wäre eine Ohrfeige für alle anderen Beschäftigten." 25 seiner 35 Mitarbeiter sind Hilfskräfte, die für den Mindestlohn arbeiten. Braun fragt sich, wie die Arbeitsagentur bei der Berechnung des ortsüblichen Stundenlohns in diesem Fall vorging. Und er fragt sich noch etwas anderes: "Wie sollen wir die Flüchtlinge integrieren, wenn sie nicht für den Mindestlohn arbeiten dürfen"