Reichertshausen
Böses Erwachen nach dem Gaudiwurm

Faschingsverein OCV Steinkirchen wegen Panzer-Motivwagen unter Druck Auftritte abgesagt

08.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Zu Beginn feierten Asylbewerber und Einheimische beim Gaudiwurm als Obstfamilie verkleidet miteinander und liefen vorne beim Umzug in Reichertshausen mit (rechts). Am Ende erzeugte der Panzer-Motivwagen (links) des Faschingsvereins OCV Steinkirchen einen Sturm der Entrüstung. - Fotos: Brenner

Reichertshausen (DK) Deutschlandweit berichten die Medien über den Panzer-Motivwagen beim Gaudiwurm. Für den Faschingsverein OCV Steinkirchen ist der Vorfall eine "Katastrophe". Einige Auftritte der Garden wurden bereits abgesagt. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Es hätte so schön sein können. Mit Bier, Sekt und lauter Musik hatten sich die Teilnehmer auf den 49. Gaudiwurm von Reichertshausen nach Steinkirchen eingestimmt, der Tausende Menschen aus der Umgebung anzog. An ihnen vorbei rollte auch der Panzer, über den mittlerweile Medien in ganz Deutschland und vor allem die Nutzer sozialer Netzwerke diskutieren. Mit den Aufschriften "Ilmtaler Asylabwehr" und "Asylpaket III" hatten ihn eine Gruppe junger Leute versehen, das Foto wurde anschließend im Internet veröffentlicht.

Erst am Tag danach wird den Verantwortlichen die ganze Tragweite des Ereignisses bewusst. Fernsehen, Rundfunk und überregionale Medien rufen beim OCV Steinkirchen an, der den Umzug veranstaltet hat. Kamerateams rücken an, um den Ort zu filmen, an dem der Umzug stattfand. Der Vorsitzende des OCV Steinkirchen, Tobias Winkelmeier, klingt hörbar bestürzt. "Das ist tief in mir drin", sagt er. "Wir sind ein angesehener Verein."

Die Entscheidung erklärt er mit Zeitmangel: "Es mussten so viele Wägen abgenommen werden, und es war nur wenige Sekunden Zeit", sagt er. Vorab habe es nur ein Formular gegeben, auf dem die Gruppe und die Art des Wagens notiert waren, nicht das Motto oder die Sprüche. Ob er bei der Abnahme der Wägen selbst eine andere Entscheidung getroffen hätte, weiß er nicht. "Im Nachhinein ist man schlauer." Konrad Moll, der den Wagen nach eigenen Angaben in Absprache mit zwei Polizisten fahren ließ, ist es auf jeden Fall: "Die Tragweite war mir nicht bewusst", sagt er. Natürlich hätte er anders entschieden, wenn er das geahnt hätte. "Ich muss mich beim OCV entschuldigen."

Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei der Polizei liegen laut Günther Beck, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, mehrere Strafanzeigen vor. Wie es nun weitergeht, ist trotzdem offen: Rein hypothetisch könnte das Verfahren unter Auflagen eingestellt oder zur Anklage gebracht werden, erklärt Nicolas Kasczynski, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Ingolstadt. Auch ein Strafbefehl sei theoretisch denkbar.

Egal wie der Fall ausgeht, der Shitstorm in den sozialen Medien dürfte noch eine Weile weitergehen. "Ekelerregend", "hasserfüllt" und "unterbelichtet" sind da noch die netteren Begriffe, mit denen Nutzer ihre Meinung zum OCV auf dessen Seite kundtun. Winkelmeier wird dort auch persönlich angegriffen.

Die Auswirkungen der Aktion sind für den Verein bereits spürbar. Eigentlich sollte die Garde des OCV Steinkirchen im Olympia-Einkaufszentrum in München auftreten, doch der Termin wurde abgesagt. "Wir sind übereingekommen, dass der Auftritt nicht stattfindet", so Centermanager Christoph von Oelhofen. "Es wäre sicherlich kein gutes Gefühl gewesen, wenn sie aufgetreten wären."

Laut Moll sagt der Verein zurzeit noch mehr Auftritte ab, weil die Gardemädchen unter diesen Umständen nicht mehr fröhlich tanzen wollen. "Das ist eine Katastrophe", sagt er.

Für die jungen Männer, die gegenüber unserer Zeitung ihr Anliegen mit der Kritik am Asylkurs der Bundeskanzlerin erklärt hatten, findet Moll nur beschwichtigende Worte: Niemals seien sie in der Vergangenheit mit rechtsradikalen Meinungen aufgefallen. "Das sind brave Jungs." Die Familie fühle sich nun an den Pranger gestellt. Auf Anfrage möchte sich im Heimatsort der Männer niemand äußern.

Mitverantwortlich für die mediale Aufmerksamkeit ist der Schauspieler und Pfaffenhofener Kreisrat Florian Simbeck (SPD), der das Bild in einem sozialen Netzwerk postete. Dafür kritisierte ihn nun der JU-Kreisverband in einer Stellungnahme: Statt von draußen Fotos zu machen, hätte er mit dem Veranstalter sprechen sollen, heißt es dort. Ein Kreisrat solle versuchen, Schaden von seiner Gemeinde fernzuhalten.

Simbeck, der von ähnlicher Kritik vonseiten seiner Reichertshausener Mitbürger berichtet, verteidigt seinen Schritt: "Ich wollte nicht meine Gemeinde besudeln", sagt er. Es gebe dort überhaupt keine rechte Stimmung. Es sei ihm lediglich darum gegangen, einen Missstand aufzuzeigen. "Die Androhung von Waffengewalt ist nicht lustig", so Simbeck.

Den Panzer haben die jungen Leute in der Nacht zu gestern bereits im Internet verkauft, berichtet OCV-Mitglied Moll. "Der ist schon weg." Doch der Schaden, den er angerichtet hat, wird wohl noch eine Weile nachwirken.