Regensburg
Weltsprache Bairisch

Regensburger Forscher untersuchen Verbreitung der heimischen Mundart bis nach Rumänien und Neuseeland

17.11.2011 | Stand 03.12.2020, 2:09 Uhr

Regensburg (DK) Der bairische Dialekt hat sich weit über die Grenzen des Freistaats hinaus verbreitet. Mit bairischer Zunge sprechen heute noch Einwohner Rumäniens, Oberitaliens und sogar Neuseelands. Wissenschaftler der Universität Regensburg haben sich mit dem Thema beschäftigt.

Wenn man Sprachforscher Anton Ilk zuhört, glaubt man seinen Ohren nicht zu trauen: Er ist aus Rumänien und spricht perfekt bairisch. Sicher, da klingt ein slawischer Akzent an. Aber man versteht genau, was er meint. Ilk ist im rumänischen Oberwischau geboren und wählt das Wort „Teiwl“ aus, um zu zeigen, wie sehr sich das Wischaudeutsch seiner Heimat und das Bairische ähneln. „Deifi“ klingt an, zu Deutsch: der Teufel. Das ist kein Zufall und ist nicht nur in den rumänischen Waldkarpaten der Fall.

Dank früherer Auswanderungswellen sind über Jahrhunderte in mehreren Ländern kleine bairische Sprachinseln erhalten geblieben, sagt Sprachwissenschaftler Hermann Scheuringer von der Universität Regensburg. Zusammen mit Kollegen aus dem In- und Ausland hat er sich beim Regensburger Dialektforum mit dem Thema „Bairisch in der Welt“ beschäftigt.

In Rumänien pflegten besonders viele Menschen die Mundart. Schätzungsweise waren es 6000. Erste Siedlungen entstanden bereits 1828 im Banater Bergland. Die meisten von ihnen waren Waldarbeiter. Ihr Fachwortschatz bestand aus etwa 230 Wörtern, 180 davon waren bairisch. Noch heute ist der nordmittelbairische Dialekt hier vertreten und wird auch von jüngeren Bewohnern gesprochen. Das liege daran, dass den Kindern sogar in der Schule der Dialekt vermittelt wurde und heute noch wird.

Viele der bairisch sprechenden Rumänen strandeten in den 1990er Jahren als Auswanderer in Ingolstadt, sagt der Germanist Scheuringer. Die Gruppe der Oberwischauer sei für ihn besonders interessant: Man versteht nicht nur bairisch, sondern zugleich slowakisch, rumänisch, ungarisch und jiddisch. „Das ist ein Paradebeispiel für gelebte Mehrsprachigkeit, die wir heute so nicht mehr kennen“, sagt Scheuringer. Seine Forschungsergebnisse verwendet der Professor auch für Schulen mit hohem Migrantenanteil. „Mehrsprachigkeit ist eine Bereicherung“, sagt Scheuringer.

Auch im oberitalienischen Bergdorf Lusern ist der bairische Dialekt schon seit fast 800 Jahren beheimatet. Fast jeder der 300 Bewohner spricht Zimbrisch, zudem italienisch und manchmal auch deutsch. Aufgrund einer Dürre in der Gegend um das Kloster Benediktbeuern (Kreis Tölz-Wolfratshausen) hungerten und starben viele Menschen. Die Kirche besaß Besitztümer in Italien, und so begann eine Völkerwanderung über die Alpen. In der Abgeschiedenheit der Berge ist der Dialekt fast in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben. „Das sind dann Wörter, die man hierzulande nicht mehr versteht“, sagt Scheuringer. Wie zum Beispiel „Ertag“ und Pfinztag“ für Dienstag und Donnerstag. Ein Bayer und ein Bairisch-Sprechender in Oberitalien würden sich nur noch „schwer“ verstehen.

Nur noch fünf Menschen im Alter zwischen 80 und 85 Jahren sprechen in Neuseeland bairisch. Sie sind die Nachkommen einer Gruppe von 100 Auswanderern, die Ende des 19. Jahrhunderts die Strapazen der Übersee-Fahrt auf sich nahmen. Auch dort weist die Sprache einige bairische Kennwörter auf, wie „diats“ (ihr) oder „enk“ (euch).

Wie in Neuseeland wird das Bairische auch in den USA wohl in den nächsten 20 bis 30 Jahren aussterben. Aber das sei nun mal der normale Lauf der Zeit, sagt Scheuringer. „Die Jüngeren gehen immer mehr zur Landessprache über.“ Das Regensburger Dialektforum, das seit 2001 besteht, bietet regelmäßig Veranstaltungen zum Thema Sprache und Dialekt an.