Nürnberg
Kersting transformiert die Wirklichkeit

Fotograf ist der aktuelle Kulturpreisträger der Stadt Nürnberg - Vernissage am Dienstag

20.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr
Den Weg zum Fotokünstler hat Johannes Kersting über die Malerei eingeschlagen. Aufgrund dieser Wurzeln legt der 38-jährige Fotograf noch heute ein großes Augenmerk auf Farben und Formen. −Foto: Abele

Nürnberg (HK) Wenn Johannes Kersting den Auslöser seiner Kamera betätigt, hat er die verborgene Wirklichkeit hinter den Bildern im Sinn. Für seine Fotoarbeiten aus aller Welt ist der 38-jährige heuer mit dem Kulturpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet worden.

Wenn Johannes Kersting durch Amerika reist, interessiert er sich nicht für die Freiheitsstatue. Am Steuer eines Straßenkreuzers sucht er stattdessen nach endlosen Parkplätzen und bunten Supermärkten. "Ich wollte auf meinen Reisen durch die USA den amerikanischen Umgang mit Architektur nachspüren", erinnert sich Kersting an seine Fahrten über endlose Highways und durch gigantische Vorstädte zurück.

Durch die Scheiben seines Wagens erkennt Kersting, dass das Aussehen der amerikanischen Gebäude durch Autofahrer definiert wird. Architektur verschwindet hinter der Fassade, die im Vorbeifahren aus dem Autofenster gut zu erkennen sein muss. Ganze Häuser mutieren zu überdimensionalen Werbeträgern am Straßenrand. "Hinzu kommen die gigantischen Parkplätze, die in weiten Flächen in die noch viel weitere Landschaft asphaltiert werden", erzählt Kersting. Die amerikanische Architektur sei ein "marktgängiges Ringen nach der Aufmerksamkeit des motorisierten Konsumenten".

Seine Eindrücke von seinen Amerika-Reisen in den Jahren 2011 bis 2013 wollte Kersting in seinen Aufnahmen nicht nur dokumentieren. Kersting transformiert in seinen Bildern viel lieber die vorgefundene Alltagswirklichkeit. Damit legt Kersting eine tiefere Wirklichkeit hinter der banalen Schauseite der Realität frei.

"Ich habe mit Malerei angefangen. An der Akademie für Bildende Künste in Nürnberg habe ich gemerkt, dass ich wie ein Fotograf male. Danach habe ich mich immer mehr mit Fotografie beschäftigt. Umgekehrt hat mich bei der Fotografie immer diese Schnittstelle zwischen Authentizität und Wirklichkeit interessiert", berichtet Kersting über seinen künstlerischen Werdegang. Vielen Fotos von Kersting merkt man seinen Bilder im positiven Sinne noch an, dass er einst den Pinsel gegen die Kamera eingetauscht hat.

Wie in seiner Serie "Stadt Land Bild" von 2015 fängt Kersting mit seinem Kameraauge quasi-malerische Ausschnitte der Wirklichkeit ein. Dabei nimmt er uns mit, die Welt aus der ungewohnten Perspektive des Künstlers zu sehen. Ein schnödes Metallgeländer im grünen Dickicht gerät auf diese Weise zum dekorativen Kunstwerk. Ein loses Elektrokabel wird zum Blickfang. Mit seiner Fantasie zeigt uns Kersting die poetische Seite hinter den Dingen des Alltags. Manchmal sind es auch "nur" die bunten Fassaden, wie in seiner Serie "Monochrome".

"Ich lasse mich auf Reisen durch fremde Städte gerne treiben. Reisen bedeutet für mich Verschiebung", sagt Kersting. Allein durch die kulturellen Besonderheiten verändere sich in den Bildern etwas. "Diese Konfrontation mit fremden Ländern interessiert mich." Dabei fühle er sich mit der Kamera wie ein Flaneur, der spielerisch nach den großen Unterschieden in den kleinen Details fahndet. "Ich steige mal hier, mal dort aus und schaue und beobachte, was passiert."

Die Realität verbannt Kersting nicht aus seinen Bildern. Auch wenn diese auf den ersten Blick abstrakt erscheinen mögen. Mit seinen Fotos scheint er ständig zuzurufen , wie schön die Welt hinter den grauen Fassaden des Alltages ist. In letzter Zeit stellt Kersting eine Rückbesinnung auf seine künstlerischen Anfänge fest. "Ich habe zuletzt immer mehr Fotografie mit Malerei kombiniert." Herausgekommen sind dreidimensionale Foto-Installationen, die der digitalen Bilderflut in ihrer Materialität einen starken Kontrapunkt setzen.

Die nächste Ausstellung mit Werken des Kulturpreisträgers ist ab heute in der Sima-Galerie in Nürnberg zu sehen.

JOHANNES KERSTING

Der 1979 geborene Fotograf hat zunächst Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert. Zwischen 2006 und 2009 wendete er sich AN der Kunsthochschule Karlsruhe der Fotografie zu. Seitdem zahlreiche Auslandsreisen und Ausstellungen.

 

Johannes Kersting hat kürzlich den Kulturpreis der Stadt Nürnberg verliehen bekommen. In der Laudatio heißt es, Kersting sei ein Künstler, der durch seine "umfangreiche, beeindruckende Ausstellungstätigkeit" hervorsteche. In seinen Bilder schimmere stets die künstlerische Herkunft aus der Malerei durch, die sich unter anderem durch graphische Farbflächen, architektonische Motive und feine Details charakterisieren lassen.

 

In der Nürnberger Sima-Galerie ist Kersting ab dem 21. November gemeinsam mit anderen Kulturpreisträgern der Stadt Nürnberg in einer aktuellen Ausstellung mit dem Titel "November" zu sehen. Die Schau in der Hochstraße ist mit einer kurzen Weihnachtsunterbrechung noch bis zum 3. Februar zu sehen. Die Vernissage am 21. November beginnt um 19 Uhr.

 

Einen eindrucksvollen Überblick über die Arbeiten von Johannes Kersting gibt es im Internet unter der Adresse www.johannes-kersting.de zu entdecken. | npe