Nürnberg
Kampf gegen Grabsteine aus Kinderarbeit

02.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:52 Uhr

 

Nürnberg/München (DK) Kinderarbeit findet keiner gut. Das weiß auch die SPD und hat sich seit Jahren dem Kampf dagegen verschrieben. Heute geht es im Landtag um Grabsteine aus Kinderarbeit.

Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hatte die glorreiche Idee, wenn schon nicht die Welt, dann doch zumindest die städtischen Friedhöfe von den ausbeuterischen Grabsteinen zu befreien. Die „Stadt der Menschenrechte“ wollte zum Vorreiter auf dem Gebiet der politisch-korrekten Friedhöfe werden. Doch dieses hehre Ziel dürfte heute im Landtag scheitern.

Doch der Reihe nach. Im April 2009 entschied die Stadt Nürnberg, dass „auf den städtischen Friedhöfen nur noch Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit“ hergestellt wurden. Oberbürgermeister Maly hatte die Rechnung jedoch ohne den Wirt gemacht. Ein fränkischer Hersteller von Grabsteinen wehrte sich erfolgreich gegen die Einschränkung seiner Berufsfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die städtische Bestimmung gegen Kinderarbeit an Grabsteinen für null und nichtig. Nach Auffassung der Leipziger Richter ist es zwar ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck, die Verwendung von Grabmalen auszuschließen, die unter ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt worden seien. Den Steinmetzen aber einfach aufzubürden, den Nachweis darüber erbringen zu müssen, das sei ein Unding.

Nun will die SPD die Gesetze im Landtag ändern. Aber an Lösungen zu arbeiten, wie die Steinmetze den gewünschten Nachweis überhaupt erbringen könnten, das hielten die Sozialdemokraten offensichtlich nicht für nötig. Oder geht es nur um Symbolpolitik?

Kämpferisch gab sich jedenfalls Ulrich Maly selbst nach der bitteren Niederlage vor dem Verwaltungsgericht. „Das Verbot ist noch nicht vom Tisch. Ich glaube, dass kein Mensch einen Grabstein kaufen möchte, der von Kindern geschlagen ist. Die Frage ist, wie wir das sicherstellen können.“ Den Worten ließ Maly kaum Taten folgen. Denn bei der Beantwortung der Frage, wie man das Wünschenswerte in die Wirklichkeit umsetzen kann, ist man bei der SPD offensichtlich Jahre später noch immer keinen einzigen Schritt weiter gekommen. Oder hat sich die SPD gar nicht redlich bemüht? Zur Lösung der Nachweis-Frage verweist der mittelfränkische SPD-Landtagsabgeordnete Harry Scheuenstuhl auf eine Organisation namens Xertifix: „Diese Initiative aus Freiburg bietet so eine Zertifizierung an“, sagt Scheuenstuhl.

Doch das ist nicht ganz richtig, wie man bei Xertifix auf Nachfrage erklärt. „Aktuell zertifizieren wir Natursteine aus Indien. Dort haben wir jeweils einen Mitarbeiter im Süden und im Norden des Subkontinents. Grabsteine zertifizieren wir aktuell leider nicht“, sagt Walter Schmidt von Xertifix.

Leider, sagt auch die SPD, werde ihre Gesetzesinitiative heute im Landtag krachend durchfallen. Neben der CSU sind auch die Freien Wähler dagegen. Nur die Grünen sitzen mit der SPD in einem Boot.

Scheuenstuhl räumt ein, dass der Kampf gegen Grabsteine aus Kinderarbeit gesamtwirtschaftlich nur ein kleiner Tropfen auf den sprichwörtlich heißen Stein darstelle. Viel sinnvoller wäre es beispielsweise, wenn Kommunen keine Pflastersteine mehr kaufen würden, die mit Kinderhänden hergestellt worden sind. Das sei aber viel schwieriger zu regeln. Deshalb habe sich die SPD ja auf die Grabmale konzentriert und andere Wirtschaftsbereiche ausgeblendet.

Genau diese Strategie im Kampf der SPD gegen Kinderarbeit bringt viele Steinmetze auf die Palme. „Dieser Populismus ärgert mich maßlos“, sagt ein Steinmetz aus Franken. Er kenne keinen einzigen Steinmetz, der nicht gegen Kinderarbeit sei. Es sei aber schlicht unmöglich für Steinmetze in Deutschland, eine lückenlose Kontrolle über die Herstellung von Grabsteinen in aller Welt zu führen. Die „Doppelmoral“ in der Debatte verstört viele Steinmetze. Die SPD verteidigt indes ihr Vorgehen. „Wenn wir nichts anstoßen, dann passiert überhaupt nichts“, sagt Scheuenstuhl.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat derweil angekündigt, dass die CSU-Fraktion die Staatsregierung heute vermutlich auffordern werde, im Rahmen einer umfassenden Novellierung des Bestattungsgesetzes eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungen zum Verbot der Verwendung von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu schaffen. „Wir werden dann mit allen Beteiligten erörtern, wie zur Umsetzung dieses Beschlusses ein verlässlicher und handhabbarer Nachweis geführt werden kann“, sagt Huml.

Dann wird vielleicht auch der neue Hoffnungsträger der Bayern-SPD, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, seine Lösungsvorschläge dazu präsentieren. Gestern war Maly für eine Stellungnahme leider nicht zu erreichen.