Ingolstadt
Nicht jugendfrei

"50 Shades of Grey" flimmert im Nachmittagsprogramm

20.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr

Ingolstadt (DK) Etwas irritiert war Birgit Heinemann schon, als sie kürzlich mit ihrem Sohn in der Nachmittagsvorstellung von „Star Wars“ im Ingolstädter Cinestar war – und davor der Trailer für „50 Shades of Grey“ gezeigt wurde.

 „Mein Sohn ist deswegen jetzt nicht verstört, und er hat das auch nicht angesprochen“, sagt die Ingolstädterin. „Aber man fragt sich schon, ob das wirklich sein muss.“ Rechtlich gesehen kann man dem Kino keinen Vorwurf machen. „Star Wars“ ist ab zwölf Jahren freigegeben, „50 Shades of Grey“ ab 16. Aber: Das heißt nicht, dass auch der Trailer derselben Altersfreigabe unterworfen sein muss. Und genau das ist der Fall bei „50 Shades of Grey“, in dem es unter anderem um Sadomaso-Praktiken geht.

Die Filmvorschau ist ab zwölf Jahren freigegeben. Die FSK, die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“, begutachtet jeden Film und jeden Trailer. „Oft sind die Trailer entschärft und bekommen eine andere Freigabe“, erklärt Beatrix Benz, Referentin für Jugendmedienschutz und Medienpädagogik bei der Aktion Jugendschutz Landesarbeitsstelle Bayern. „Diese Bilder sind dann nicht gefährlich für die Entwicklung des Kindes.“ Sie ist als Jugendschutzsachverständige bei der FSK tätig. In der Realität bedeutet das, dass Zwölfjährige zwar möglicherweise einen Trailer sehen dürfen – sich den Streifen dann aber nicht in voller Länge anschauen können. Auch Werbefilme schaut sich die FSK an.

Die Altersfreigaben gliedern sich in folgende Kategorien: ab 0 Jahren, ab 6, ab 12, ab 16 oder ab 18 Jahren. Die Vorgaben sehen eine Ausnahme vor: In Begleitung eines Elternteils dürfen Kinder ab sechs Jahren Filme sehen, die erst für Zwölfjährige freigegeben sind – das nennt man „Parental Guidance“. „Dann sind die Eltern in der Verantwortung“, erklärt Benz. „Wenn jüngere Kinder einen Film ab zwölf nicht aushalten, dann halten sie möglicherweise auch keinen Trailer ab sechs Jahren aus.“ In diesem Fall liege es an den Eltern, das Kind „aufzufangen, wenn es mit dem Gesehenen nicht zurechtkommt“.

Gleichwohl berichtet Benz, dass die Entscheidungen nicht immer unumstritten seien. „Zwischen 12- und 16-Jährigen liegt eine enorme Diskrepanz in der Entwicklung.“ Trailer würden in einer Kommission aus drei Personen geprüft, bei Filmen sind es fünf Kontrolleure – entschieden wird nach dem Mehrheitsprinzip. „Man kann sich beschweren“, sagt die Referentin. „Wenn genügend Beschwerden vorliegen, kann ein Bundesland eine Überprüfung der Entscheidung fordern.“ Eine große Diskussion rund ums Thema Altersfreigaben löste die „Harry Potter“-Filmreihe aus. Den ersten Teil konnten bereits Kinder ab sechs Jahren sehen. Der zweite bekam dieselbe Freigabe, jedoch mussten dafür zwei besonders brutale Szenen geschnitten werden. Infolgedessen wurden 2003 die Regelungen geändert und das „Parental Guidance“ eingeführt. Obwohl das Cinestar mit der Filmvorschau für „50 Shades of Grey“ folglich rechtlich alles richtig gemacht hat, bleibt die Frage: Muss das sein, bei einer Nachmittagsvorstellung, in der vor allem Kinder in den Kinosesseln sitzen? Dazu erklärt die Leiterin des Cinestar Ingolstadt, Manuela Metzdorf, dass die Platzierung der Trailer über die zentrale Filmdisposition der Cinestar-Gruppe geplant werde. „Diese orientiert sich zu allererst an den FSK-Vorgaben des folgenden Hauptfilms, des Weiteren daran, welche Filme erfahrungsgemäß ähnliche Zuschauergruppen interessieren.“ „Star Wars“ sei „kein Kinderfilm im klassischen Sinne“ und werde erfahrungsgemäß von vielen Gästen gesehen, die sich auch einen „Fifty Shades“-Film ansehen. Dennoch kann Manuela Metzdorf die Irritation von Birgit Heinemann nachvollziehen und verspricht: „Wir werden diesen Trailer daher umgehend aus der Nachmittagsschiene entfernen und uns bemühen, unsere Trailer künftig noch stärker auf diesen Zeitraum abzustimmen.“