München
Die Show des Altmeisters

Die SPD-Führung wirbt in München für die große Koalition – Auch Hans-Jochen Vogel hat seinen Auftritt

08.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:20 Uhr

München (DK) Die Entscheidung steht kurz bevor. Bis zum Donnerstag stimmt die SPD-Basis über ihre Zustimmung zur großen Koalition in Berlin ab. In München wollte die Parteiführung noch einmal für Zustimmung werben. Die Show übernahm ein anderer.

Die Veranstaltung läuft schon ein paar Minuten, da geht auf einmal ein Raunen durch den Saal: Hans-Jochen Vogel ist da. Aus dem Raunen wird Klatschen, dann richtiger Jubel. Vogel grüßt im Sitzen mit seinem schwarzen Gehstock in den Saal. Da ist eigentlich schon klar, dass der SPD-Ehrenvorsitzende, der inzwischen in einem Münchner Altenheim wohnt, an diesem Abend noch seinen großen Auftritt haben wird.

Eigentlich sind gestern Nachmittag im Münchner Kolpinghaus andere in der Pflicht. Die SPD hat zur Regionalkonferenz zum Mitgliederentscheid über die große Koalition geladen. Bis Donnerstag müssen die Mitglieder darüber abstimmen. In den vergangenen Tagen ist SPD-Chef Sigmar Gabriel durch Deutschland getourt, um die Basis zu überzeugen.

Nach München sind nur SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Bayerns Landeschef Florian Pronold gekommen. Gabriel kann nicht. Er müsse sich um sein Kind kümmern, heißt es. Wer will, kann ihm das schon übel nehmen? Aber es entspricht auch der Lage. Kaum noch jemand zweifelt daran, dass die Basis dem Koalitionsvertrag zustimmt. 70 zu 30 dafür – diese Prognose hört man immer wieder. Auch wenn es noch immer Bastionen des Widerstands gibt.

Am Samstag lehnten die Jusos den Vertrag auf ihrem Bundeskongress in Nürnberg mit großer Mehrheit ab. Zu wenig Bafög für Studenten, zu wenig Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit, keine Steuererhöhungen für mehr Bildungsausgaben – mit ihrer Kritik ließ die SPD-Jugendorganisation Gabriel, der beim Kongress für die Koalition geworben hatte, auflaufen.

Bei der Regionalkonferenz in München ist das nur ein Randthema. „Ich finde es nicht schlimm, dass die Jusos eine kritische Position einnehmen“, sagt Nahles vor der Konferenz. Sie sei ja selbst mal Juso-Chefin gewesen. Mit dem Nein könne sie gut leben.

Vor den Mitgliedern werben Nahles und Pronold mit den Verhandlungserfolgen der SPD. Die Mietpreisbremse, Rentenverbesserungen, Erleichterungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft und: der gesetzliche Mindestlohn. Dass die SPD in der großen Koalition bis 2005 schlecht weggekommen sei, dürfe kein Hinderungsgrund sein, meint Nahles. Selbstbewusst müsse die Partei in die große Koalition gehen. Bloß keine Angst vor Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Das ist doch keine schwarze Spinne!“

Die Kritik der Genossen hält sich in Grenzen. Da ist der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel. Es gebe zu viele Schlupflöcher beim Kompromiss zum Mindestlohn, sagt er. Zum Beispiel könnten Niedriglohnbranchen nach momentanem Stand noch Tarifverträge abschließen mit Löhnen unter 8,50 Euro. Die würden dann wohl bis 2017 gelten. Und da ist zum Beispiel Rudi Renn, Parteimitglied aus München-Haidhausen. Bei der Windkraft habe die Parteiführung „uns ganz schön in die Scheiße reingeritten“. Nach dem Koalitionsvertrag seien in Bayern kaum noch Windräder möglich.

Nahles beantwortet eine knappe halbe Stunde Fragen. Dann muss auch sie gehen. „Ich muss jetzt auch noch mal meine Tochter heute Abend ins Bett bringen“, sagt die Generalsekretärin, verabschiedet sich kurz und verschwindet durch eine Hintertür. Das Pflichtprogramm ist erledigt. Aber da ist ja noch Hans-Jochen Vogel.

Es ist kurz vor fünf, als der Altmeister das Wort bekommt. „Ich habe mit Ja gestimmt, gleich am ersten Tag“, ruft Vogel ins Mikrofon. Die Partei habe in den Verhandlungen viel mehr erreicht als erwartet. „Glaubt ihr wirklich, dass wir aus der Opposition mehr dafür tun können, da etwas durchzusetzen“ Jeder müsse sich fragen, ob Neuwahlen für das Land und die Partei das Beste wären. „Erst das Land, dann die Partei, dann der Einzelne“, sagt Vogel. Da ist der Jubel noch ein bisschen größer als bei der Begrüßung.

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