München
Waffenkurier legt Geständnis ab

Prozessbeginn in München: Vlatko V. wollte mit einem Auto voller Kalaschnikows und Sprengstoff nach Paris

23.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Ein Polizist begleitet den angeklagten Vlatko V. vor der Verhandlung in den Gerichtssaal. - Foto: Stäbler

München (DK) Mit einem Auto voller Sturmgewehre und Sprengstoff hat sich Vlatko V. im November nach Paris aufgemacht - wenige Tage vor den dortigen Terroranschlägen. Nun hat der Prozess gegen den Waffenkurier in München mit einem Geständnis begonnen.

Was wäre passiert, wenn Vlatko V. an diesem Donnerstagmorgen nicht seinen Kopf gehoben hätte? Damals, als er im vergangenen November am Autobahnrastplatz "Im Moos" nahe Rosenheim in einem Golf gekauert hat? Eine genaue Antwort wird wohl auch der Prozess gegen den 51-Jährigen vor der Staatsschutzkammer am Landgericht München nicht liefern. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Schreckliches geschehen wäre, denn in dem Golf befand sich ein wahres Waffenarsenal. Das Ziel von Vlatko V.: Paris - wenige Tage, bevor dort bei islamistischen Terroranschlägen 130 Menschen sterben.

Doch Vlatko V. hat an diesem Morgen im Auto den Kopf gehoben und "rausgelugt", so beschreibt es ein Polizist, der als Zeuge geladen ist. Nur deshalb hätten er und seine Kollegin ihren Streifenwagen gewendet und den Golf kontrolliert. Als der Polizist eine lose Gummilippe an der Windschutzscheibe entfernt, stößt er auf eine Plastikabdeckung, und darunter "ist uns gleich eine Pistole entgegengekommen". Als später Experten das Auto auseinandernehmen, stoßen sie auf acht Kalaschnikows, zwei Handgranaten jugoslawischer Bauart, 205 Gramm TNT-Sprengstoff, zwei Halbautomatik-Pistolen, einen Revolver und Munition. Viel Munition.

Laut Navigationsgerät will Vlatko V. nach Paris. Die entsprechende Zieladresse findet sich auch auf einem Zettel, zusammen mit einer französischen Telefonnummer. Diese habe der Angeklagte nach seiner Ankunft anrufen wollen, so die Staatsanwaltschaft, um das Fahrzeug samt Waffen zu übergeben. Hierfür sollte er 2000 Euro erhalten. "Es besteht der Verdacht, dass die Waffen und der Sprengstoff zur Durchführung eines terroristischen Anschlags bestimmt gewesen sind", erklärt der Staatsanwalt. Einen konkreten Zusammenhang zu den Taten am 13. November haben die Ermittler freilich nicht herstellen können. Jedoch wollte Vlatko V., so die Anklageschrift, "Anschlagspläne fördern und zur Verwirklichung von damit ausgeführten Gewalttaten in Frankreich beitragen".

Während der Staatsanwalt die Vorwürfe vorträgt und das Waffenarsenal im Detail herunterrattert, blickt Vlatko V. ins Leere. Er ist ein dünner Mann mit müden Augen und tiefen Furchen im Gesicht, der in seiner Heimat Montenegro als Saisonkraft in der Landwirtschaft gearbeitet hat - 15 Stunden am Tag, zwei Euro die Stunde. Hier im Gerichtssaal macht er einen schüchternen Eindruck. Nur einmal wird er laut und schwingt gar die Faust durch die Luft. Sekunden später übersetzt die Dolmetscherin: "Ich bin nicht vorbestraft. Nirgendwo auf der Welt."

Nun aber ist er angeklagt - wegen Einfuhr von Kriegswaffen und der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bei Letzterem habe die Kammer jedoch "erhebliche Bedenken", ob es zu einem Schuldspruch kommen würde, sagt Richter Norbert Riedmann, da ihm "die notwendige Konkretisierung" fehlt.

Unmittelbar nach der Anklageverlesung bittet der Vorsitzende beide Seiten ins Hinterzimmer und schlägt dort einen Deal vor: Im Gegenzug für ein Geständnis würde die Kammer dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen drei Jahren, neun Monaten und vier Jahren, drei Monaten zusichern. Diesem Angebot stimmt zunächst der Staatsanwalt zu, der ursprünglich eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren anvisiert hatte. Danach nimmt auch Vlatko V. den Vorschlag an, worauf sein Verteidiger folgendes Geständnis verliest: "Mein Mandant wusste, dass sich im Fahrzeug Waffen und Munition befanden." Aber: "Er wusste nicht, wozu diese dienen sollten."

Trotz der Absprache startet das Gericht anschließend die Beweisaufnahme, die nun in abgespeckter Form stattfinden wird. Ein Urteil soll Ende kommender Woche fallen.