München
Viel Lärm um Kuhglocken

Das Geläute stört den Nachbarn einer Landwirtin in Holzkirchen einen Kompromiss schlägt diese aber aus

19.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Den Stein des Anstoßes, die Kuhglocke, hat Landwirtin Regina Killer (links) mit in den Gerichtssaal gebracht. Neben ihr sitzt ihre Anwältin Marina Bichler. - Foto: Stäbler

München (DK) Kirchenglocken, der Duft einer Bäckerei, Geschrei vom Spielplatz: Heutzutage gibt es kaum etwas, gegen das Nachbarn nicht vor Gericht ziehen. Im München hat nun ein Prozess gegen eine Milchbäuerin begonnen - wegen des Lärms ihrer Kuhglocken.

Wäre dies ein Film, dann wären die Rollen ebenso klar verteilt, wie perfekt besetzt. Da ist auf der einen Seite des Gerichtssaals - am Tisch mit dem Schild "Beklagtenpartei" - Regina Killer, 42 Jahre alt, Witwe und zweifache Mutter. Sie ist Milchbäuerin in Erlkam, einem Ortsteil von Holzkirchen, 30 Kilometer südlich von München. Hier hält die Frau sieben Rinder auf einer Weide - mit Kuhglocken um den Hals, versteht sich, denn das gehört in Bayern dazu wie das Weißbier zur Weißwurst.

Eine solche Glocke hat Regina Killer heute ins Landgericht München II mitgebracht. Fast anklagend liegt sie auf dem Tisch, dahinter die Bäuerin in kurzärmliger Bluse, die Unterarme zeugen von einer Frau, die anpacken kann. Im Film wäre sie die Heldin, mit der man vor dem Fernseher mitfiebert, weil sie für ihre Tiere, für ihre Familie und fürs bayerische Brauchtum kämpft. Der Schurke, wenn man so will, sitzt auf der anderen Seite des Saals, vor ihm das Schild "Kläger": Reinhard U. ist Unternehmer und 2013 nach Erlkam gezogen - ein Zuagroaster also, der in dem Ortsteil ein Haus erworben hat, das er danach aufwendig umbauen ließ, so sein Anwalt.

Mutmaßlich wollte Reinhard U. dort die Ruhe genießen. Doch damit war es aus seiner Sicht vorbei, als 2014 die Killer'schen Rinder die Wiese neben seinem Grundstück bezogen. Wegen des Lärms ihrer Kuhglocken zog der Nachbar vors Amtsgericht Miesbach, wo man sich 2015 auf einen Vergleich einigte: Die Weide wurde geteilt; seither sind Glocken nur noch im weiter entfernten Teil erlaubt. Doch das reicht Reinhard U. offenbar nicht, weshalb er nun erneut geklagt hat - gegen Regina Killer und gegen die Gemeinde Holzkirchen, die der Bäuerin die Weide verpachtet. Sein Ziel: ein komplettes Verbot der Weidehaltung auf dem Grundstück. Im Gericht erscheint Reinhard U. erst spät. Keinesfalls hat er sich von den Fotografen ablichten lassen wollen; auch mit Reportern spricht er nicht.

Der Unternehmer trägt dunkle Lederschuhe, ein blaues Sakko, am Handgelenk blitzt eine Uhr hervor. Es wäre wie gesagt leicht, ihn als Schurken in diesem Stück zu sehen - und mancher Medienbericht hat das im Vorfeld auch sträflicherweise getan. Doch dies ist kein Film, sondern ein Streit unter Nachbarn, wie er sich hierzulande täglich und überall abspielt - und zu dem meist beide Seiten ihr Scherflein beitragen.

Der Lärm durch die Kuhglocken sei unzumutbar, schildert die Richterin die Argumente des Nachbarn. Allen voran seine Frau leide deswegen unter Schlaflosigkeit und "depressiven Verstimmungen". Dazu komme der Gestank des Kuhmists, der Insekten anlocke, die wiederum Krankheiten übertragen, so der Kläger. Überdies habe sein Haus durch die Kuhweide 100 000 Euro an Wert verloren. Und nicht zuletzt seien die Glocken ohnehin Tierquälerei, argumentiert der Anwalt.

Er schlägt vor, statt der Glocken auf GPS-Sender zu setzen. Reinhard U. würde hierfür die Kosten übernehmen, sagt sein Anwalt, der diese Lösung für einen möglichen Vergleich ins Spiel bringt. Doch darauf lässt sich Regina Killer nicht ein: Nachdem beide Seiten eine Stunde lang hin und her diskutiert haben, verkündet ihre Anwältin: "Meine Mandantin hat mir soeben mitgeteilt, dass eine Weidehaltung ohne Kuhglocken auf der ganzen Weide für sie nicht in Betracht kommt." Worauf der Kläger-Anwalt nach einem Moment der Stille murmelt: "Dann war's das wohl."

So sieht das auch die Richterin, die bis hierhin für eine Schlichtung geworben hat. Nun stellt sie jedoch fest, "dass eine gütliche Einigung nicht erzielt werden kann". Beide Seiten hätten bis zum 9. November Zeit, um weitere Schriftsätze einzureichen, sagt die Richterin. Am 14. Dezember werde sie entscheiden, wie es weitergeht.