München
Unsicherheit trotz Treueschwur

US-Vizepräsident steht bei Sicherheitskonferenz zur Nato EU schließt Abschiebepakt mit Afghanistan

19.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

München (DK) Gerade hat US-Vizepräsident Mike Pence gesprochen, den Nato-Partnern auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Bündnistreue zugesichert und das Versprechen Donald Trumps übermittelt, die USA und Europa würden durch "dieselben Ideale zusammengeschweißt". Schöne Worte habe Pence da gewählt, findet CDU-Außenpolitiker Elmar Brok im Bayerischen Hof, wo sich bis gestern Regierungschefs, Minister und Generäle zum alljährlichen Sicherheitsgipfel getroffen haben.

Doch schwingen Zweifel mit: "Wir wissen ja noch gar nicht, wie sich der Vizepräsident und die anderen Regierungsmitglieder bei Trump durchsetzen", sagt Elmar Brok im Gespräch mit unserem Korrespondenten.

Risikofaktor Trump: Stellvertreter Pence zeigte in München immerhin die grobe Richtung der US-amerikanischen Außenpolitik auf: Russland nahm er in die Pflicht, in der Ukraine-Krise das Minsker Friedensabkommen zu respektieren. Er gab ein Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis ab, verbunden mit der klaren Forderung an die Europäer, ihr Rüstungsziel von zwei Prozent einzuhalten.

So weit, so erwartbar. Was fehlte, war ein klares Bekenntnis zur EU. Die Bundeskanzlerin, ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der neue Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) waren es, die selbstbewusst die Flagge für ein Europa der Reformen und die multinationale Zusammenarbeit hochhielten, auf gemeinsame Werte pochten und die USA vor nationalen Alleingängen warnten. "Lassen Sie uns gemeinsam die Welt besser machen", rief die Kanzlerin Mike Pence vom Podium aus zu, damit er die Botschaft nach Washington trage. Beim Zwei-Prozent-Ziel warnte sie vor "kleinlichen Diskussionen". Und mit Blick auf Trumps Kampfansage an die deutschen Autobauer hielt sie ihm für ihre Verhältnisse durchaus frech entgegen: "Die 5 th Avenue ist noch immer minderbestückt mit deutschen Autos." Eine kleine Spitze für den Protektionisten im Weißen Haus. Gabriel ging noch weiter, und regte an, über eine Welt nachzudenken, in der die USA nicht länger den Ton angeben: "Es ist nicht unbillig, nach 70 Jahren Führung durch die USA, die Außenpolitik neu zu definieren."

Vieles auf dieser Welt ist im Umbruch, das ist in München klar deutlich geworden, die Konturen bleiben jedoch noch unscharf. In der US-Regierung müsse sich vieles noch "zusammenruckeln", hieß es aus deutschen Regierungskreisen.

Die allgegenwärtige Sorge, Trump werde eine neue Achse Washington-Moskau schmieden, erhielt am Wochenende aber keine neue Nahrung, ganz im Gegenteil: Russlands Außenminister Sergej Lawrow machte keinen Hehl aus seinem Frust über das - wenn auch leise - Nato-Bekenntnis aus Washington. Diese Allianz sei "nach wie vor eine Institution des Kalten Krieges, sowohl im Denken als auch im Herzen". Er bekräftigte den Ruf nach einer neuen Sicherheitsordnung, in der die westliche Dominanz überwunden wird. Derartige Appelle gehören zwar zu den russischen Ritualen auf der Sicherheitskonferenz. In Berliner Regierungskreisen blickt man durchaus mit Beunruhigung auf die Möglichkeit eines schleichenden Rückzugs der USA. Dies würde Kremlchef Wladimir Putin helfen, da er das entstehende Vakuum zum Ausbau seiner Macht nutzen könnte.

Dennoch: Ein neuer Anlauf zur Befriedung des Konflikts in der Ost-Ukraine war eines der wenigen Ergebnisse. Man einigte sich, die Kämpfe zwischen pro-russischen Separatisten und Regierungstruppen ab heute einzustellen. Ein weiteres Ergebnis ist vor allem für Deutschland von Bedeutung: Ungeachtet der Proteste gegen Abschiebungen nach Afghanistan hat die EU ein Abkommen mit dem Krisenland geschlossen, das solche Maßnahmen erleichtern soll. Der Vertrag legt fest, unter welchen Bedingungen die EU dem Staat am Hindukusch Unterstützung gewährt. Dazu gehört, dass Afghanistan bei der Bekämpfung unerwünschter Migration kooperiert. Auch soll Kabul der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber zustimmen. Der Vertrag wurde am Samstag bereits unterzeichnet. Im Gegenzug soll Afghanistan von der EU und den Mitgliedstaaten bis 2020 pro Jahr gut 1,2 Milliarden Euro erhalten. ‹ŒKommentar Seite 2