München
Prozess um Mord mit Kreissäge

In München steht eine Studentin vor Gericht, die ihren Freund vor Jahren brutal ermordet haben soll

13.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr
Bereits zum Prozessauftakt in München war das Medieninteresse groß: Die Angeklagte Gabriele P. wurde am 19. Mai zu über zwölf Jahren Haft verurteilt. −Foto: Stäbler

München (DK) Gestern hat der Prozess zu einer Tat begonnen, die acht Jahre lang unentdeckt geblieben war: Eine Studentin soll ihren Freund beim Sex in der gemeinsamen Wohnung mit einer Handkreissäge getötet haben. Laut Anklage schnitt sie dem 28-Jährigen in die Brust und trennte ihm den Kopf ab.

Der Garten ist inzwischen noch verwilderter, als er es ohnehin schon war. Ganz offensichtlich wohnt seit Längerem niemand mehr in diesem Einfamilienhaus in Haar, einem Vorort von München. Am Briefkasten hängt noch ein Zettel mit dem Hinweis "Lasst doch bitte die Werbung raus." Und dem Zusatz: "Und verkauft wird das Grundstück auch nicht."

In diesem Haus ist ein Verbrechen geschehen, das seiner Brutalität wegen für Aufsehen gesorgt hat. Wobei es schwerfällt, jene Tat mit der jungen Frau zusammenzubringen, die gestern auf der Anklagebank des Münchner Landgerichts Platz genommen hat. Gabriele P., von allen Gabi genannt, wirkt zaghaft und unsicher; mit ihren rotbraunen Locken und der Brille wirkt die 32-Jährige jünger als sie ist. Das Haus in Haar gehört ihrer Familie, sie hat es teilweise geerbt und dort gelebt - bis Anfang 2016. Damals stand die Polizei vor ihrer Tür, Beamte gruben den Garten um und machten dort einen schrecklichen Fund: eine skelettierte Leiche, in Plastikfolie gepackt, dazu eine abgeklebte Taucherbrille.

Dies könnte der Beginn eines TV-Krimis sein - wobei sich viele Zuschauer hinterher über die allzu blühende Fantasie des Drehbuchautors beschweren würden. Im Dezember 2008, so trägt es die Staatsanwältin im Gericht vor, hätten sich Gabriele P., damals 24, und ihr vier Jahre älterer Freund Alexander H. gestritten. Die beiden leben zusammen im Dachgeschoss des Einfamilienhauses. Im Parterre haben zwei Mitbewohnerinnen je ein Zimmer, weshalb die Boulevardzeitungen später von einer "Hippie-WG" schreiben werden.

An jenem Tag wirft Gabriele P. ihren Freund laut Anklage erst aus dem Haus, ehe er reumütig zurückkehrt und sich die beiden wieder versöhnen. Wobei die Staatsanwältin überzeugt ist, dass die Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt entschlossen war, "die ständigen Streitereien, die oft auch mit Demütigungen ihr gegenüber einhergingen, endgültig zu beenden und ihren Lebensgefährten zu töten". Am Abend haben die beiden Sex. Wie des Öfteren fordert Alexander H. seine Freundin auf, ihn zu fesseln. Und er streift sich jene mit schwarzer Folie beklebte Taucherbrille über, die man später neben der Leiche finden wird. Während der Student darauf wartet, dass das Liebesspiel beginnt, greift Gabriele P. laut Anklage zu einer Handkreissäge, drückt sie erst in seine Brust und schneidet ihm danach den Kopf ab.

Als die Staatsanwältin im Gericht von "durchtrennten Schlüsselbeinen" und einem Versterben "innerhalb kürzester Zeit" spricht, zeigt Gabriele P. keinerlei Regung. Ihr Blick bleibt der Richterbank zugewandt, dem Adoptivvater des Getöteten sowie den restlos vollen Zuschauerrängen dreht sie den Rücken zu.

"Bitte reden Sie laut und deutlich, dass wir Sie alle verstehen - auch wenn's schwer ist", fordert der Richter sie später auf. Und doch hat man oft Probleme, die Pädagogik-Studentin zu verstehen, während sie leise und stockend über ihr Leben erzählt. Auch zur Sache werde sich ihre Mandantin äußern, sagt Verteidigerin Birgit Schwerdt zu Prozessbeginn. Jedoch beantragt sie mit Erfolg, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, wenn es um die Tat und die Intimbeziehung zu dem Getöteten geht.

Zuvor erzählt Gabriele P., wie sie Alexander H. kennengelernt hat, ihren "ersten richtigen Freund". Anfangs seien sie zusammen in Haar glücklich gewesen, doch nach etwa zwei Jahren "wurde es immer schlechter". Sie habe viel getrunken, ein bis zwei Flaschen Wein am Tag. Auch Alexander H. sei dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen, zudem habe er täglich um die fünf Gramm Marihuana geraucht, sagt Gabriele P., die von zwei Persönlichkeiten ihres Freundes spricht - die eine intelligent und humorvoll, die andere aggressiv.

Als sich die leibliche Mutter sowie die Adoptiveltern von Alexander H. nach der Tat bei ihr melden, erzählt Gabriele P., dass dieser sich von ihr getrennt habe und mit seiner neuen Freundin nach Rumänien gefahren sei. Fortan gilt der Student als vermisst; derweil lernt die Angeklagte einen neuen Mann kennen. Der wiederum entdeckt Monate später im Dachgeschoss die Leiche, als er während eines Urlaubs seiner Freundin auf deren Katzen aufpasst. Statt zur Polizei zu gehen, beschließt das Paar, den Leichnam im Garten zu verscharren, wobei ihnen ein Bekannter zur Hand geht.

Die beiden Helfer sind bereits in einem anderen Prozess zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden, haben dagegen aber Berufung eingelegt. Dass das Duo und Gabriele P., die die Tat gestanden hat, überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden, ist einer Bekannten von ihr zu verdanken. Sie hatte vom Hörensagen von den Vorfällen in dem Einfamilienhaus erfahren und sich daraufhin im Dezember 2015 an die Polizei gewandt. Für das Verfahren gegen Gabriele P. sind sieben Verhandlungstage angesetzt; ein Urteil soll Mitte März fallen.