München
Kirchen eröffnen Fastenaktionen

Katholisches Hilfswerk Misereor feiert bunte Messe Evangelische Bischöfin fordert zu mehr Mut auf

18.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

München/Hofheim (KNA/epd) Dreimal schon eröffnete Misereor seine Fastenaktion in München. Gestern war das katholische Hilfswerk erneut zu Gast, um für Solidarität mit den Mitmenschen in aller Welt zu werben. Die evangelische Kirche rief derweil in Hofheim am Taunus zum Einsatz gegen Ungerechtigkeit auf.

Schneebedeckte Bäume und Wege - so erlebten die indischen Gäste gestern die bayerische Landeshauptstadt. Ein Grad Celsius zeigte das Thermometer. Im Liebfrauendom mag es etwas wärmer gewesen sein. Doch als die vier indischen Frauen in ihren bunten Gewändern und mit blumengeschmückten Haaren barfuß auf dem Steinboden vor dem Altar zur Ehre Gottes tanzten, mag mancher Mitleid empfunden haben. Die grazilen Tänzerinnen aber ließen sich nichts anmerken, sondern hielten zu Sitar- und Trommelklängen tapfer durch.

Unter dem Motto "Heute schon die Welt verändert" eröffnete Misereor in München seine diesjährige Fastenaktion mit Indien als Beispielland. Der Gottesdienst wurde live in der ARD übertragen. Es war das vierte Mal, dass das bischöfliche Hilfswerk hier zu Gast war. 1979, als die Losung "Anders leben - Teilen lernen" lautete, hatte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. gemahnt, ein Hauptproblem Europas bestehe darin, seine agrarischen Überschüsse einzudämmen, während die Welt hungere. Das könne sich erst ändern, wenn die Menschen hierzulande bereit wären, wirklich anders zu leben. 39 Jahre später forderte sein Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, gleichfalls zum solidarischen Handeln auf. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnerte daran, dass Gott nach der Sintflut den Menschen als Zeichen der Hoffnung einen Regenbogen geschickt habe. Damit habe er eine zweite Chance ermöglicht und die Aufforderung verbunden, Einheit und Vielfalt der Schöpfung mit allen Kulturen und Traditionen zusammenzubringen. Papst Franziskus habe in der Enzyklika "Laudato si" deutlich gemacht, das eine Haus der Schöpfung gehöre allen. Die Zeit sei reif, so Marx, für das Evangelium vom Volk Gottes.

Beim Verlesen der Fürbitten tauchte ein den Zuschauern und Gottesdienstbesuchern vertrautes TV-Gesicht auf: Die Moderatorin Carolin Reiber. Seit über 20 Jahren unterstützte sie die Arbeit von Misereor und konnte sich bei Reisen nach Afrika, Asien und Lateinamerika überzeugen, wie wichtig Hilfe zur Selbsthilfe ist. Darauf nahm auch der Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel Bezug und verwies auf die in manchen indischen Orten nach wie vor schwierige Lage mit der Versorgung mit Trinkwasser. Erst als eine Dorfgemeinschaft sich zusammengetan und dafür gekämpft habe, sei es anders geworden.

Seit den 60 Jahren seines Bestehens hat Misereor über 107 500 Entwicklungsprojekte in Afrika und dem Nahen Osten, Asien, Lateinamerika und Ozeanien mit mehr als sieben Milliarden Euro gefördert. Derzeit unterstützt das Hilfswerk rund 3000 Projekte in 90 Ländern.

Die Münchner evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler rief gestern in einem Gottesdienst in Hofheim am Taunus zum Engagement gegen Ungerechtigkeit auf. Die bundesweite evangelische Fastenaktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen". Die Kampagne "7 Wochen Ohne" wurde vor mehr als 30 Jahren gegründet. Wer das Risiko eingehe, sich zu zeigen und Versteckspiele unterlasse, könne viel gewinnen, sagte sie in der Thomaskirche. Jede Lebensgeschichte berge Möglichkeiten, sich wirklich zu zeigen, ohne zu kneifen. Auch der Alltag biete immer wieder Gelegenheit dazu: bei heiklen Themen etwa, die es in Ehe und Familie zu besprechen gebe. Die Regionalbischöfin ermutigte außerdem dazu, in den Spiegel zu schauen und zufrieden zu sein mit sich selbst - "mit den guten Seiten und den kleinen Eigenheiten", erklärte sie: "Denn den Vergleich mit anderen, Gott sei es gedankt, braucht's es nicht."