München
Gefährlicher Online-Handel

Muttermilch aus Internet-Börsen: SPD will den Vertrieb wegen Gesundheitsrisiken stärker kontrollieren

07.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:56 Uhr

München (DK) Seit eineinhalb Jahren können Mütter in Deutschland online Muttermilch für ihre Babys kaufen. Doch Ärzte warnen vor Gesundheitsrisiken. Nun will die SPD dem Handel Grenzen setzen. Die Landesregierung signalisiert Unterstützung.

Das Risiko scheint den Müttern offensichtlich bewusst zu sein. Denn in fast jeder Anzeige wird auf den Gesundheitsaspekt Bezug genommen: „Viel Bio-Obst und Gemüse, keine Medikamente, Krankheiten, Nikotin, Alkohol“ preist eine Frau sich und ihr Produkt an, „Muttermilch aus gesunder Ernährung abzugeben (Klinisch getestet)“ schreibt eine andere. Die Annoncen stammen vom Online-Portal muttermilch-boerse.de. Jede Frau kann dort seit Januar 2014 überschüssige Muttermilch zum Verkauf oder zum Verschenken anbieten und an andere Mütter abgeben, die zu wenig oder gar keine Milch produzieren können. Bis zu fünf Euro für 100 Milliliter werden auf der Seite verlangt.

Doch der Handel mit Muttermilch ist in Deutschland weitegehend unkontrolliert und birgt daher aus Sicht von Ärzten erhebliche Gesundheitsrisiken. Dagegen will die SPD-Landtagsfraktion nun vorgehen. „In einem Land, wo alles kontrolliert wird und wo es für alles Regeln gibt, darf nicht ausgerechnet Nahrung, mit der Säuglinge gefüttert werden, unkontrolliert bleiben“, mahne die SPD-Gesundheitspolitikerin Kathrin Sonnenholzner im Gespräch mit dem DONAUKURIER. Als Mutter, angehende Großmutter und ausgebildete Ärztin sehe sie hier dringenden Handlungsbedarf.

So könne nicht ausgeschlossen werden, dass Schadstoffe aus der Umwelt in die Muttermilch gelangten oder dass die verkaufende Mutter zuvor Alkohol getrunken oder geraucht habe. Das Beispiel Amerika, wo das Modell bereits länger praktiziert wird, zeige zudem eine weitere Anfälligkeit des Systems auf: „Nachdem sich damit relativ viel Geld verdienen lässt und Muttermilch ein endliches Produkt ist, finden auch kriminelle Machenschaften statt. Die Milch wird in den USA laut Studien häufig durch Kuhmilch oder Wasser gestreckt“, sagt Sonnenholzner. Das größte Risiko stellten aber Keime und Viren dar. So könnten Hepatitis oder auch HIV über die Muttermilch übertragen werden, warnt sie.

Diese Gefahr sieht auch Andreas Flemmer. Er ist Leiter der Neonatologie am Münchener Klinikum Großhadern, wo Frühgeburten mit Spendermilch anderer Mütter versorgt werden, die aus der einzigen Frauenmilchbank Bayerns stammt. Um als Spenderin für die Milchbank akzeptiert zu werden, müsse sich jede Frau strengen Gesundheitstests unterziehen, sagt er und betont zudem: „Die Milch, die hier an die Säuglinge weitergegeben wird, wird unter strengsten hygienischen Bedingungen abgepumpt, abgefüllt und jede Spende wird mit Tests überprüft. Wir orientieren uns an Standards der Blutspende, so etwas kann der Online-Handel auf keinen Fall leisten.“

Muttermilch ist im Vergleich zu künstlicher Ersatznahrung für die Babys deutlich bekömmlicher, beugt gefährlichen Darminfekten vor und stärkt das Immun- und Verdauungssystem. Daher ist Spendermilch nach der Milch der eigenen Mutter „auf jeden Fall die zweitbeste Lösung“, wie es in einem Dossier der Klinik heißt. Das Problem ist aber das Angebot: Neben Großhadern gibt es in Deutschland nur noch zehn weitere Frauenmilchbanken – alle in den neuen Bundesländern. Für die bayerische Milchbank wurden laut Flemmer seit deren Einrichtung im März 2012 bis zum Februar dieses Jahres 74 Liter Milch gesammelt, von denen 44 Liter an 140 Kinder verfüttert werden konnten. In der Klinik bekommen nur Kinder mit einem Gewicht unter 1250 Gramm Spendermilch. Dafür reicht das Angebot aus, doch die flächendeckende Nachfrage von allen Eltern kann damit nicht gedeckt werden.

Diese Lücke besetzt nun der Online-Handel. Die Geschäftsführerin der Internet-Milchbörse, Tanja Müller, wollte sich auf Anfrage nicht zu der Thematik äußern. Auf der Homepage kritisiert sie die US-Studien zu den Gesundheitsrisiken aber als voreingenommen. Dort habe es keinen persönlichen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer gegeben. Genau dazu wolle sie die Mütter aber animieren, damit die Käufer einen persönlichen Eindruck bekämen und kein Postversand und damit keine Unterbrechung der Kühlkette notwendig seien. Zudem könnten die Käuferinnen sich Gesundheitstests vorlegen lassen, Milchproben analysieren lassen und die Milch pasteurisieren.

Die SPD will ihr Vorgehen von einem Bericht der Landesregierung zu der Thematik abhängig machen, der nach der Sommerpause im Gesundheitsausschuss vorgestellt werden soll. Wenn dieser ergebe, dass die Gesundheitsrisiken nicht kontrollierbar seien, sei auch ein Verbot des Online-Handels möglich, so Sonnenholzner.

Die Signale aus der Landesregierung sind eindeutig: „Der Online-Handel mit Muttermilch ist mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Empfängerkinder verbunden und deshalb abzulehnen“, sagte etwa ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hatte bereits im vergangenen Jahr vor der Spendermilch gewarnt. Diese solle nur aus „wichtigen medizinischen Gründen und mit höchster Vorsicht“ eingesetzt werden.