München
Flecken auf der weißen Weste

Auch SPD-Geschäftsführer Harald Güller beschäftigte einen nahen Verwandten

21.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:07 Uhr
Abgeordneter in der Kritik: In der CSU-Fraktion wirft man Harald Güller vor, öffentlich gelogen zu haben. −Foto: Frank Leonhardt/dpa

München (DK) Nun also auch die SPD: Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Harald Güller, hat als erster Genosse zugegeben, seinen Stiefsohn auf Staatskosten beschäftigt zu haben. Aber auch im CSU-geführten Kabinett bleibt die Lage in Sachen Verwandtenaffäre brisant.

Die Empörung war groß inszeniert. Moralische und strafrechtliche Verwahrlosung warf SPD-Spitzenkandidat Christian Ude der Staatsregierung auf dem SPD-Landesparteitag in Augsburg kürzlich vor. Es sei eine „geistig-moralische Wende“ nötig, hieß es. Kurz zuvor war öffentlich geworden, dass 17 CSU-Abgeordnete noch in dieser Legislaturperiode nächste Angehörige auf Staatskosten in ihren Büros beschäftigt hatten. „Wir sind sauber“, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, „die CSU ist es nicht.“

Inzwischen ist öffentlich bekannt, dass das so nicht stimmt. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Harald Güller, ließ im Jahr 2009 seinen Stiefsohn zwei Monate lang für sich arbeiten. Der damals 30-jährige Ingenieur sollte die Bürokommunikation auf Vordermann bringen. Das schreibt Güller in einer Erklärung, die er gestern auf seiner Homepage veröffentlichte. Bezahlt habe er den Stiefsohn nach Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Die insgesamt rund 7500 Euro habe er nun vollständig an die Staatskasse zurückgezahlt.

Rechtlich gesehen ist ein Stiefsohn ein Schwager und damit ein Verwandter ersten Grades. Deren Anstellung ist seit 2000 nicht mehr erlaubt – zumindest, wenn sie auf Staatskosten bezahlt werden. Ausgenommen waren in den vergangenen Jahren nur Altverträge, die schon galten, bevor das Verbot in Kraft trat.

Güller, selbst Jurist, beruft sich auf einen Irrtum. Er habe „einen Fehler“ gemacht, als er nicht erkannt habe, dass der Sohn seiner Frau durch Heirat sein Schwager geworden sei. Weil er sich aber unsicher war, hatte er seinen Fall selbst vom Landtagsamt überprüfen lassen. Das bestätigte ein Sprecher des Parlaments. Güller machte seinen Fall nun auch selbst öffentlich. Anders als viele CSU-Abgeordnete habe er „keinen einzigen Tag“ von der umstrittenen Altfallregelung profitiert, betont Güller. Das stimmt. Aber genau deshalb war die Sache genau genommen sogar illegal.

In der SPD-Fraktion verteidigt man den Kollegen. „Irrtum erkannt, Fehler eingesehen – damit ist die Sache erledigt“, sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. In der CSU sieht man das natürlich anders. Vor wenigen Wochen hatte Güller noch öffentlich erklärt, die SPD habe ab 2008 darauf geachtet, dass Abgeordnete keine Verwandte mehr beschäftigen. „Er hat damit Ende April die Öffentlichkeit wissentlich angelogen“, sagt CSU-Fraktionschefin Christa Stewens.

Allerdings steht auch die CSU in Sachen Verwandtenaffäre weiter unter Druck. Im Fokus stehen nun Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (alle CSU). Die Kabinettsmitglieder hatten noch im Jahr 2000 ihre Ehefrauen angestellt – damals als einfache Abgeordnete. Da wurde über ein Verbot dieser Praxis schon heftig diskutiert.

Das Landtagsamt prüft, wann Abgeordnete gewusst haben können, das Altverträge mit einer Ausnahmeregelung geschützt werden sollten. Es besteht der Verdacht, dass die drei die Übergangsfrist bewusst ausgenutzt haben könnten. Sie selbst bestreiten das. Brunner hatte seine Frau Anfang 2000 eingestellt. Da stand die Debatte am Anfang. Sibler und Eck schlossen die ersten Verträge allerdings erst im September.

Ministerpräsident Horst Seehofer will nun genau wissen, wie die Verträge zustande kamen. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es in seinem Umfeld erhebliche Sorge, dass weitere unangenehme Details die Affäre neu befeuern könnten. Am Freitag beauftragte Seehofer Staatskanzleichef Thomas Kreuzer, mit den Betroffenen zu sprechen. Im Laufe der Woche will er selbst Gespräche führen. Ende der Woche werde die Untersuchung wohl abgeschlossen sein, heißt es in der Staatskanzlei. Ob die Affäre sich damit beruhigt, ist ungewiss.

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