München
Fassmacher mit Tradition

17.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr

 

München (DK) Am Samstag beginnt das Oktoberfest. Punkt 12 Uhr wird Münchens neuer Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) den Schlegel schwingen, mit ein paar Schlägen den Wechsel in ein Holzfass treiben – und verkünden: „O’zapft is!“. Anschließend werden Millionen von Besuchern 16 Tage lang das eigens für die Zeit des Oktoberfests gebraute Bier ihre Kehlen hinunter fließen lassen. Wer auf süffiges Bier ohne viel Kohlensäure schwört, der will es aus dem Holzfass gezapft bekommen. Doch wo kommen die Fässer her? Die Firma Wilhelm Schmid versteht sich seit genau 100 Jahren aufs Fassmachen und liefert Bierfässer aus Eichenholz.

Peter Schmid beugt sich nach vorne. Die Stirn hat er in Falten gelegt. Hochkonzentriert schaut er in das vor ihm eingespannte Fass. Jeder Griff muss sitzen. Der 25-Jährige leistet Präzisionsarbeit im Meisterbetrieb seines Vaters Wilhelm Schmid und das in vierter Generation. Exakt im hundersten Jahr der Betriebsgründung hat der 25-Jährige seine Meisterprüfung abgelegt. Die Firma will er aber erst übernehmen, wenn sein Vater in Rente geht. Bereits mit 15 Jahren habe er immer wieder in den Ferien mitgearbeitet und nach dem Abitur dort seine Ausbildung gemacht. Nur eine Handvoll Böttcher gebe es noch in Bayern – bundesweit vielleicht 30, schätzt Schmid. Er deutet auf sein Meisterstück, ein ovales Weinfass aus Eiche.

Die Schmids haben sich als letzte Fassmacher Münchens aufs Herstellen von Bierfässern spezialisiert. Gemeinsam mit fünf Angestellten fertigen sie jährlich rund 1000 Eichenholzfässer, reparieren und warten gebrauchte. „Über Aufträge können wir nicht klagen“, sagt Schmid. Zwar würden die meisten Brauereien Metallfässer einsetzen, aber allein für das Oktoberfest hat er an eine einzige Brauerei 150 Fässer geliefert. Am häufigsten werden für die Wiesn 200-Liter-Fässer verwendet, sogenannte „Hirschen“. Für den Namen gibt es verschiedene Erklärungen. So kehrte laut Schmid der bayerische König Ludwig I., auf dessen Vermählung die Tradition des Oktoberfests basiert, mit großen Jagdgesellschaften im Hirschgarten ein. Er ließ sich dafür ein großes Fass Bier reservieren. Anderen Quellen zufolge stammen die Fassnamen aus dem Brauerjargon. Je nach Füllmenge und Gewicht wird das Fass nach einem Tier benannt.

Bis zu 50 Jahre alt kann ein Holzfass bei guter Pflege und Wartung halten. Schmid verwendet für Bierfässer in der Regel Eichenholz. Das Holz wird senkrecht oder schräg zu den Jahresringen geschnitten und anschließend zwei Jahre luftgetrocknet. 3,5 bis 4,5 Zentimeter dick sind die Wände der Bierfässer, um sie druckdicht zu machen.

Schmid hievt ein ausgehobeltes Fass aus dem Schraubstock und rollt es zu den anderen, während Thomas Sakowski die Fassinnenwand ausmisst. Der 22-Jährige ist der jüngste Mitarbeiter im Familienbetrieb. Vor einem Jahr hat er seine Ausbildung dort beendet. „Es ist ein anstrengender Beruf, denn viel ist Handarbeit“, meint er. Doch wer Spaß an körperlicher Arbeit habe, der sei hier richtig aufgehoben, fügt er hinzu. Nachwuchs zu finden, sei nicht einfach. Neben handwerklichem Geschick braucht man auch Köpfchen. „Was banal aussieht, da steckt was dahinter“, erklärt Schmid.

Präzisionsarbeit ist auch bei einem der letzten Arbeitsschritte des Bierfassmachens gefragt. Um eine glatte und leicht zu reinigende Oberfläche zu bekommen, picht Schmid die Fässer mit Fasspech aus destilliertem Baumharz oder kleidet sie mit Durolit aus. Im Gegensatz zum Wein soll das Bier nicht den Geschmack des Fasses annehmen. Nur so hat der Oktoberfestbesucher den unverfälschten Biergeschmack aus dem Eichenholzfass.