Kösching
"Die Schäden sind enorm"

Der Köschinger Waldbauer Paul Fuchs entdeckt immer mehr von Mufflons geschälte Bäume

23.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:38 Uhr
"Die Schäden durch die Mufflons sind enorm", sagt Waldbauer Paul Fuchs aus Kösching. Die betroffenen Bäume seien nicht mehr zu retten. −Foto: Richter

Kösching (DK) Paul Fuchs steht in seinem Wald und schüttelt den Kopf. „Wie kann da jemand sagen, die Mufflons machen nichts kaputt?“, fragt er. Der Bauer aus Kösching im Kreis Eichstätt kniet vor einer 30 Jahre alten Fichte, die er als „Zukunftsbaum“ eingestuft hatte: Sie sollte, während ihre Nachbarn nur Platzhalter sind und später weichen müssen, wachsen dürfen, bis sie irgendwann nach einem Jahrhundert oder mehr die richtige Größe zum Fällen hat. Jetzt ist die Rinde auf gut 80 Zentimeter Länge abgeschält, Harz tropft aus der klaffenden Wunde.

"Die Fichte kann ich komplett vergessen", stellt der 68-jährige Waldbauer fest. "Das ist das ideale Eintrittstor für Bakterien und Schädlinge, das geht ganz schnell", sagt er und deutet auf einen anderen Baum, der dieselben, nur etwas ältere Schäden aufweist. Schwarzer Pilz macht sich am Holz breit. "Da kannst du nichts mehr retten." Männliche Tiere aus der umstrittenen Mufflonherde im Köschinger Forst sollen für die Schäden verantwortlich sein. Die Widder rammen die Rinde, weil ihre Kiefer anatomisch ungeeignet sind, die Bäume direkt zu verbeißen. Ist die Borke erst einmal gelockert, schälen die Wildschafe sie ab und hinterlassen oft riesige Wunden.

Wie im Wald von Paul Fuchs. Vergangenen Sonntag hatte er die Schäden erstmals bewusst wahrgenommen. "Ich wollte eigentlich auf Kupferstecherbefall kontrollieren, als mir diese hellen Flecken aufgefallen sind." Rehböcke, die er zunächst als Verursacher verdächtigte, scheiden für ihn als Übeltäter aus. "Da ist das Schadensbild anders." Überall in seinem fast zwei Hektar großen Waldstück nördlich des Marktes Kösching sind Fichten und Küstentannen stellenweise geschält, mindestens eine dreistellige Zahl. "Die Schäden sind enorm."

Der Köschinger Bauer ist kein Eiferer. 100 Jahre schon gehört sein Hof der Familie Fuchs, die auch Waldwirtschaft betreibt. Der 68-Jährige spricht ruhig und besonnen. "Der Wald ist für alle da, für Spaziergänger, Schwammerlsucher und Sportler, sollange sie sich ordentlich benehmen", lautet sein Credo. "Ich habe grundsätzlich auch nichts gegen die Mufflons, solange sie keinen Schaden anrichten. Aber das geht jetzt zu weit." 1981, nach einem großen Schneebruch, hatte Paul Fuchs das betroffene Gebiet neu aufgeforstet, mit Buchen, Eichen und Tannen. Beim Gang durchs Holz scheint es, als habe er zu jedem einzelnen Baum einen persönlichen Bezug. Er verrichtet seine Arbeit mit viel Herzblut, wie es der Vater und Großvater vorlebten. Arbeit, deren Früchte nun gefährdet sind.

Wie geht's weiter? Die Mufflons sollten ursprünglich komplett beseitigt werden, öffentlicher Protest hatte die Pläne im Januar 2015 vorerst gestoppt. Seither steht eine Entscheidung aus. Das Landratsamt Eichstätt hatte zuletzt, wie berichtet, neun Widder zum Abschuss freigegeben, um das Problem mit den jüngst bekannt gewordenen Schäden zu lösen. Einer musste am Dienstagabend sein Leben bereits lassen. Peter Smischek, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Ingolstadt, kämpft seit gut zwei Jahren für den Erhalt des knapp 30-köpfigen Mufflonbestands. "Ich habe aber immer gesagt, dass ich für einen kontrollierten Abschuss bin, um den Bestand zu regulieren und ein vernünftiges Geschlechterverhältnis zu erreichen", sagt der Oberdollinger.

Smischek wundert sich: "Aus irgendeinem Grund sind 75 Prozent der Köschinger Lämmer männlich." Und nur die Widder rammen Bäume. Aber warum? "Da fängt einer an, andere machen es nach." Der Jäger zeigt durchaus Verständnis für Paul Fuchs. "Wenn da jetzt Schäden auftauchen, müssen wir den Waldbauern helfen, auch wenn es wehtut."

Bedeutet das den Totalabschuss? Die Hege, also der kontrollierte Erhalt der Herde, wurde vom Jagdbeirat bei der Regierung von Oberbayern abgelehnt. Die örtlichen Behörden würden derzeit prüfen, ob eine Umsiedlung in ein Gehege möglich sei, hieß es gestern beim bayerischen Landwirtschaftsministerium. Das werde "gewisse Zeit in Anspruch nehmen". Die Schonzeitaufhebung für Widder solle derweil die Schäden begrenzen. Klar ist: "Egal, was passiert, es muss eine Lösung her", sagt Waldbauer Fuchs. "Bald!"