Kösching
Kinder im Vollrausch keine Seltenheit

Ärzte und Fachleute sehen Eltern in der Verantwortung Jugendschutzgesetz befolgen

13.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

Kösching (DK) Wie geht es wohl den zwei Jugendlichen, die sich am vergangenen Samstag in einem Waldstück bei Kasing (Landkreis Eichstätt) bis zur Bewusstlosigkeit mit Schnaps betrunken haben? Die Kliniken, in denen die 13-jährigen Schüler behandelt wurden, berufen sich auf die Schweigepflicht und sagen auf Anfrage unserer Zeitung nichts. Was sie allerdings durchaus erklären: Dass Kinder und Jugendliche mit einem Vollrausch eingeliefert werden, ist keine Seltenheit.

Von rund 130 solchen Fällen im Jahr 2015 spricht Astrid Passavant, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, eine Fachabteilung der Kliniken St. Elisabeth in Neuburg.

Dort werden die meisten jungen Rauschtrinker aus dem ganzen Umland behandelt. "Die Zahlen sind in den vergangenen drei Jahren nicht gestiegen", meint die Fachärztin. "Allerdings werden die Patienten immer jünger - eigentlich sind es ja noch Kinder." 2015 war knapp ein Viertel der Rauschpatienten unter 15 Jahre alt. Passavant führt diesen Trend darauf zurück, dass Kinder sich immer früher "pseudo-erwachsen" fühlen. Was ihr noch auffällt: "Ich finde, dass Erwachsene und auch Eltern zu wenig darauf schauen, wenn Kinder und Jugendliche Alkohol trinken."

Typisches Beispiel: "Da rückt das Dorf aus, um den Maibaum zu fällen. Der Traktor fährt los, und was ist dabei? Ein Tragl Bier - aber kein Limo für die Jugendlichen, die auch mitkommen", so Passavant. Wenn wieder einmal junge Patienten mit einem Rausch eingeliefert werden, legt die Chefärztin den Eltern am liebsten das Jugendschutzgesetz hin - mit dem Hinweis: "Bitte beherzigen! Daran kann man sich wunderbar orientieren."

Genau das sagt auch Birgit Popp vom Verein Condrobs, der Beratung und Hilfe für suchtgefährdete und -kranke junge Menschen bietet. Beim Präventionsprojekt "Halt" werden Jugendliche aus Ingolstadt speziell über die Gefahren des Alkoholkonsums aufgeklärt.

Früher kamen die Leute von Condrobs im akuten Fall auch direkt ins Krankenhaus. Doch heute willigen Eltern kaum noch ein zu so einem Beratungsgespräch. So beschränkt sich die Aufklärung auf Schulen. "Dabei geht es hauptsächlich um die Motive fürs Trinken und die Risikokompetenz", so Popp, "also den gefährdungsfreien Umgang mit Alkohol." Ohne den aktuellen Fall zu kennen, vermutet die Fachfrau von Condrobs, dass die 13-Jährigen den Schnaps wahrscheinlich schnell heruntergekippt haben, ohne die gefährliche Wirkung zu kennen. Besonders wichtig sei die Rolle der Eltern, betont Popp: "Sie sind Vorbild, was den Alkoholkonsum betrifft, und müssen auch Grenzen setzen. Das heißt ganz klar: Alkohol erst ab 16 Jahren."

Von Verboten und Kontrollen hält Siegfried Schäferling, Leiter der Erziehungs- und Familienberatung Ingolstadt, wenig: "Im Pubertätsalter wollen Jugendliche ausprobieren und Grenzen suchen. Wichtig ist, im Gespräch zu bleiben und über die Folgen eines Rausches sprechen." Denn er kann tödlich enden.

Immerhin: In Bayern ist die Zahl der jungen Rauschtrinker zuletzt stetig gesunken: 2015 mussten laut Statistischem Landesamt 481 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden - 2013 waren es noch 680 gewesen, 2011 sogar 819.

Was Florian Demetz, Leiter der Notfallklinik am Klinikum Ingolstadt, denn auch zunehmend Probleme bereitet, ist der Konsum synthetischer Drogen: "Manche machen sehr aggressiv. Das ist Teufelszeug: Wir haben Menschen hier, die gebärden sich wie Tiere." Chefärztin Passavant beobachtet Ähnliches: "Mehr Sorgen als Alkohol machen uns Kräutermischungen und Cannabis."