Kirche tut sich schwer mit Aufarbeitung

12.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:28 Uhr

München (DK) Neun Monate sind vergangen, seit überall die Wunden der Vergangenheit aufbrachen und sich immer mehr Menschen meldeten, die als Kinder und Jugendliche in kirchlichen Einrichtungen missbraucht oder misshandelt worden waren. Neun Monate lang haben sich auch die Bistümer unseres Verbreitungsgebiets bemüht, sich der Verantwortung für die Missbrauchsfälle zu stellen. Dabei wird klar, dass die Aufarbeitung noch längst nicht abgeschlossen ist.

Im Bistum Augsburg – das legt ein vorläufiger Abschlussbericht vom 25. August nahe – gab es 34 Fälle, die in der Verantwortung des Bistums liegen. In 22 Fällen waren es sexuelle Übergriffe, bei denen männliche Jugendliche und Kinder die Opfer waren. Das jüngste war zur Tatzeit acht Jahre alt.

In zwölf Fällen wurde körperliche Gewalt angewendet, dabei sei es um grobe Misshandlungen gegangen, die auch in der Vergangenheit nicht vom Züchtigungsrecht gedeckt waren, so der Bericht. "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die vielfach geschilderten Schläge mit Stöcken auf Kinder, die auch nachträglich von diesen keiner Untat zugeordnet werden können, völlig willkürlich erfolgten", schreibt Otto Kocherscheidt, der externe Beauftragte der Diözese. 20 Beschuldigte sind gestorben, gegen sechs Geistliche laufen staatsanwaltliche Ermittlungen. Die Fälle erstrecken sich über einen Zeitraum von 1946 bis 2003.

Im Bistum Regensburg geht man bis dato davon aus, dass es sich um mindestens 14 Opfer handelt. Ohne Angabe bleibt die Zahl der Fälle, bei denen die Täter schon gestorben sind. Die Daten beruhen auf einem Bericht des Bistums vom 30. März 2010. Das Bistum hat bis dato über 1000 Personalakten durchforstet, bei denen es Hinweise auf Übergriffe gibt. Da bis 1983 die körperliche Züchtigung in Bayern erlaubt war, seien nur die Fälle strafrechtlich relevant geworden, bei denen eine Körperverletzung vorliegt, so Bistumssprecher Clemens Neck. Das Bistum sei dennoch bemüht, "auch eine Lösung für die Fälle zu finden, die nicht juristisch abzuarbeiten" seien, so der Bistumssprecher.

Ein Teil der Beschuldigten ist schon gestorben, ansonsten wurden keine Angaben gemacht, außer dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde und die Täter nach Kirchenrecht bestraft würden.

Das Bistum Eichstätt lehnt es ab, Zahlen herauszugeben. Das Bistum wollte sich nicht verglichen wissen mit anderen Bistümern. Grundsätzlich sollen die Fälle erst mit den Mitarbeitern der Kirche besprochen werden, danach wolle man die Öffentlichkeit informieren, erklärte Bistumssprecher Martin Swientek. Es gehe dabei nicht um Vertuschung. Fallzahlen zu nennen, sei dem "sensiblen Thema" abträglich, sagte Swientek.

Im Bistum München ist ein externer Sonderermittler damit beauftragt, die 8000 Personalakten der Erzdiözese durchzusehen. Das Ergebnis soll öffentlich vorgestellt werden. Das Bistum lehnt es ab, Fallzahlen zu nennen, "weil sie nicht aussagekräftig sind", sagte Bistumssprecher Bernhard Kellner. Nicht alle Taten seien aktenkundig, nicht alle ließen sich aufklären, weil Täter oder Opfer bereits gestorben sind.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sollen sich aber seit dem Frühjahr 180 Betroffene gemeldet haben, davon 156 Fälle aus dem Bistum. Beschuldigt wurden 102 Geistliche.

In keinem Bistum ist bisher die Frage der Entschädigung geregelt, alle Bistümer warten auf die Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Beauftragte für die Missbrauchsfälle der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, hatte gefordert, dass man alles tun wolle, "um den Opfern und der Wahrheit späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen". Nach den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz gehört dazu auch "angemessene Öffentlichkeitsarbeit". Die Bistümer Augsburg und Würzburg haben sich deshalb entschlossen, die Zahlen über die Missbrauchsfälle herauszugeben.

Intern haben sich die bayerischen Bischöfe in den vergangenen Tagen gegenseitig über den Stand der Aufarbeitung der Fälle sexueller Gewalt in ihren Diözesen informiert und weitere Schritte besprochen. Sie haben beschlossen, auf bayerischer Ebene bei der Landesstelle für Katholische Jugendarbeit eine "Präventionsstelle Sexuelle Gewalt" einzurichten. Die Stelle soll aus Sondermitteln finanziert werden, die die bayerischen Diözesen bereitstellen.