Karfreitag
Wort zum Karfreitag: Sich von Leid und Schmerz der Welt berühren lassen

16.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

Karfreitag ist ein widerspenstiger Tag. Er gilt als „höchster evangelischer Feiertag“. Doch was gibt es an einem Tag zu feiern, an dem wir einer Hinrichtung gedenken? So fragen viele. Der Streit um Kruzifixe in Schulen in Deutschland, Italien und anderen Ländern macht deutlich, dass die Darstellung der Kreuzigung, erzählt oder in der bildenden Kunst dargestellt, bleibend anstößig ist – und das in einer Welt, in der an einem Fernsehabend mehr Blut fließt als eine Passion zu fassen vermag.

Neu ist diese Meinung zum Kreuz nicht. Schon der Apostel Paulus berichtet von Christen, die zwar an Jesus Christus, an seine Gottessohnschaft und seine Auferstehung glaubten, den Tod Jesu aber als Skandal empfanden: Gott selbst stirbt am Kreuz, das ist doch nicht zum Aushalten. Ja! Wir halten es schlecht aus, Leid zu sehen und mitzufühlen, wenn ein Mensch sich quälen muss. Es ist ja manchmal kaum mitanzusehen. Stattdessen schieben wir Leiden und Sterben ins Krankenhaus oder Pflegeheim ab. Lieber nicht hinsehen, lieber nicht den eigenen Ängsten begegnen. Humaner wird unsere Welt dadurch nicht.

Karfreitag lässt diese Erfahrungen zu und geht sogar noch darüber hinaus. Gott selbst ist es, der da am Kreuz stirbt. Er durchleidet den Schmerz und stirbt den Tod wie jeder Mensch. Am Kreuz sehen Christen einen leidenden Menschen und einen mitleidenden Gott. Paul Gerhardt hat diese Erfahrung am Ende seines Liedes „O Haupt voll Blut und Wunden“ in die Worte gefasst: „Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod und lass mich sehn dein Bilde, in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.“

In diesen Worten wird spürbar, worin das Heilvolle des Kreuzestodes Jesu liegen kann: Wenn Gott selbst in seinem Sohn Jesus durch schlimme Qualen gegangen ist, dann kann ich Gott ja auch vielleicht gerade in solchen Zeiten besonders nahe sein. Das hilft ansehen, was manchmal kaum mitanzusehen ist; aushalten, was manchmal kaum auszuhalten ist. Aufs Kreuz schauen heißt, sich von Leid, Schmerzen und Tod in der Welt berühren zu lassen

Das Kreuz markiert, dass es keinen Augenblick im Leben und im Sterben gibt, an dem wir von Gott verlassen sind. Er ist da, selbst dann wenn wir seine Gegenwart nicht spüren können. Gott begleitet uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens hindurch, denn er hat sie selbst durchlebt und durchlitten. In diesem Sinne ist Karfreitag tatsächlich ein Feiertag.

Elisabeth Hann von Weyhern ist evangelische Regionalbischöfin im Kirchenkreis Nürnberg.