Ingolstadt
Der Doktor und die Modelle

14.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:21 Uhr

Stolpern die beiden über die Modellbau-Affäre? Für Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) steht die Zukunft als Ministerin auf dem Spiel, bei ihrem Mann Hubert Haderthauer geht es um die berufliche Existenz. - Foto: Persy

Ingolstadt (DK) In einer BR-Radiosendung meldete sich neulich ein Hörer mit einer Geschichte über den heutigen Ingolstädter Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer. Der Hörer war 1986 Zivildienstleistender im Bezirksklinikum Ansbach. „Ein wahnsinnig cooler Typ“ sei Haderthauer gewesen, sagt der Anrufer. Besonders in Erinnerung ist ihm eine Anekdote. Der Arzt habe damals berichtet, ein Bekannter von ihm habe eine Würstchenbude auf dem Münchner Marienplatz übernehmen können. Eine tolle Chance, meinte der Arzt. „Das macht man zehn Jahre, da stinkt man jeden Tag nach Frittenfett, aber danach hat man es geschafft. Da hat man Millionen.“ Der Zivi war beeindruckt.

Ob es so war, kann keiner mehr nachvollziehen. Aber die Geschichte passt zu Haderthauer. Das finden zumindest Menschen, die mit ihm zu tun hatten. Angenehm, unterhaltsam und eben auch geschäftstüchtig, mit einem leichten Hang zum Unkonventionellen.

Wer Haderthauer im Gericht erlebt, wer dem Hobbykoch auf dem Wochenmarkt begegnet, dem fällt noch etwas auf: seine Gelassenheit. Das Selbstbewusstsein eines Mannes, der mit sich zufrieden ist? Medizinstudium, Doktorarbeit, eine hoch dotierte Beamtenstelle als Landgerichtsarzt. Die Kinder erwachsen, Haus und Hof im Griff. Auch Farbtupfer hat die Biografie zu bieten. Haderthauer war mal Surfer, nahm an Europameisterschaften teil. Und er fährt gerne Oldtimer. Sicher, ein Landgerichtsarzt hat nicht nur Freunde. Seine Gutachten gefallen vor allem denen nicht, die sie belasten. Aber sonst? Wer mag ihn nicht, diesen Doktor Haderthauer?

Nun wankt das öffentliche Bild. Immer mehr Details zur Modellbau-Affäre belasten Haderthauer. Im Streit um die Geschäfte mit Mini-Oldtimern, die von Straftätern in der forensischen Psychiatrie gefertigt wurden, steht seine Frau Christine Haderthauer (CSU) unter Beschuss – die heutige Staatskanzleichefin. Aber gerade die jüngsten Vorwürfe richten sich vor allem gegen ihren Mann. Das macht die Sache derzeit kompliziert. Was hat er getan – und was hat sie damit tatsächlich zu tun? Kaum jemand macht sich die Mühe, da noch zu trennen.

Die neuesten Vorwürfe betreffen frühere Zustände in der Ansbacher Forensik, wo die Modelle bis 2000 hergestellt wurden. „Ich finde, das war ein Saustall, wie die da Geschäfte gemacht haben“, sagt ein Wachmann von damals. Der in der Modellbautherapie führende Dreifachmörder S. sei ohne große Kontrollen zum Mittagessen abgeholt worden. Auch von Haderthauer? Als es Ende der 80er Jahre mit dem Modellbau losging, war der Assistenzarzt in der Forensik. Immer wieder beschwerte sich auch das Klinikpersonal über zu wenig Kontrollen. Der Dreifachmörder sei von einem Polizisten zu Ausflügen abgeholt worden und alkoholisiert zurückgekehrt. Offenbar unternahm ein anderer Patient einen Selbstmordversuch mit einem Skalpell aus der Modellbauwerkstatt. Die Beschwerden beschäftigten auch den mittelfränkischen Bezirkstag.

All das wirft ein zweifelhaftes Licht auf Hubert Haderthauer, der die Geschäfte der Modellautofirma vor allem führte – als Liebhaberprojekt, wie seine Frau betont. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt ohnehin gegen die Haderthauers wegen Verdacht auf Betrug und wohl auch auf Steuerhinterziehung. Sie sollen einen Ex-Geschäftspartner nach dem Verkauf der Firma über deren wahren Wert getäuscht – und so um eine angemessene Abfindung gebracht haben.

Für Christine Haderthauer steht die Zukunft als Ministerin auf dem Spiel, für Hubert Haderthauer die berufliche Existenz. Betrug und Steuerhinterziehung sind gerade für Beamte schwere Vergehen. Staatsdiener müssen besonders gesetzestreu sein. Eine Verurteilung könnte drastische Folgen haben – von einer Kürzung der Bezüge bis hin zur Entlassung als Beamter. „Grundsätzlich ist alles denkbar“, sagt der Münchner Beamtenrechtler Michael Conrad.

Derzeit läuft ohnehin ein Disziplinarverfahren gegen Haderthauer bei der Landesanwaltschaft. Es geht um die Frage, ob er eine Nebentätigkeitsgenehmigung hatte. Für die Modellautofirma, aber auch für sogenannte Drogenscreenings, die er über seine Privatpraxis abrechnete. Möglicherweise hätte das ohnehin zu seinen Pflichtaufgaben als Landgerichtsarzt gehört.

Das Verfahren ruht, solange die strafrechtlichen Ermittlungen laufen. Doch die Frage der Nebentätigkeit könnte nebensächlich werden, sollte sich der Betrugsverdacht erhärten. Starre Regeln gibt es für Disziplinarverfahren nicht. Jeder Einzelfall wird für sich gewürdigt. Trotzdem könnte es für Haderthauer eng werden.

Unangenehme Schlagzeilen begleiten den Amtsarzt auch sonst. Im vergangenen Jahr geriet seine Doktorarbeit, die er 1986 an der Universität Würzburg eingereicht hatte, in die Kritik. Plagiatsjäger warfen ihm Betrug vor. Mancher wunderte sich, warum eine Arbeit von gerade einmal zehn Seiten eines Doktorgrades würdig war. Die Uni prüfte die Sache – und verteidigte ihn. Die Arbeit sei nicht abgeschrieben, der geringe Umfang sei bei Arbeiten, die vor allem Experimente auswerteten, nicht ungewöhnlich.

Die Landgerichtsärzte stehen auch insgesamt in der Kritik. In seinem Jahresbericht 2013 nahm der Oberste Rechnungshof den Berufsstand unter die Lupe. Tenor: Die wenigsten „Medizinaldirektoren“, wie die Ärzte offiziell geführt werden, könnten ihre berufliche Auslastung nachweisen. Nebentätigkeiten würden zudem kaum kontrolliert. Die Staatsregierung arbeitet nun an einer Reform.

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