Ingolstadt
"Eine Art Kleinkunstwerk"

25.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Die sogenannte Modellbau-Affäre um Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) und ihren Mann Hubert beschäftigt seit Wochen die Medien – vor allem die Frage nach dem Profit mit den Autos. Ein Experte erklärt, wie solche Modelle entstehen und warum sie so wertvoll sind.

Wenn man Andreas Berse zur Qualität der von „Sapor Modelltechnik“ vertriebenen Modelle befragt, dann hat man fast den Eindruck, ihm reichen die Superlative für die Beschreibung gar nicht aus. „Ich habe in meinem Leben schon unzählige Modellautos gesehen, aber nichts Vergleichbares wie die ,Sapor’-Modelle“, sagt Berse, Chefredakteur des Fachblatts „Modellfahrzeug“ mit Sitz in Nürnberg. Die Detailtreue sei „unglaublich“, beim ersten Anblick der Fahrzeuge sei er beinahe „sprachlos“ gewesen. Er kenne höchstens noch zwei Firmen, die in ähnlicher Qualität Modellautos produzierten. Doch „Sapor Modelltechnik“ sei „auf dem Olymp ganz oben“ gewesen.

Berse ist jemand, der es wissen muss. Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt er sich mit Modellautos – auch mit Hubert Haderthauer hatte der Experte in den 90er Jahren mehrfach Kontakt. Der heutige Ingolstädter Landgerichtsarzt sei damals auf ihn zugekommen, habe ihm angeboten, mit seinen Modellen für eine Geschichte zur Verfügung zu stehen. Für Berse eine willkommene Gelegenheit, solch seltene Modelle in Augenschein zu nehmen. Anfang der 90er traf er sich das erste Mal mit Haderthauer und dessen Geschäftspartner Roger Ponton in einem Stuttgarter Fotostudio.

„Die ,Sapor’-Modelle sind in jeder Hinsicht extrem“, sagt Berse. Extrem genau, extrem filigran, extrem nah am Original. Doch auch der Maßstab von 1:8 sei extrem. „Ein im Original fünf Meter langes Auto wird so etwa 80 Zentimeter lang. Das ist dann schon fast keine Miniatur mehr“, sagt der Modellauto-Experte. „Das ist eine Art Kleinkunstwerk.“ Gefertigt wurde nur auf Bestellung. Die Bauzeit betrug etwa ein Jahr. Dafür konnten sich die Kunden ihre Modelle nach dem Vorbild ihres Originals in der heimischen Garage individualisieren lassen – etwa die Farbe des Leders.

Bereits 2008 verkaufte Hubert Haderthauer die Firma „Sapor Modelltechnik“, trotzdem stehen er und seine Frau Christine seit Wochen im Mittelpunkt der sogenannten Modellbau-Affäre. Ponton sieht sich von den Haderthauers um mehr als 30 000 Euro geprellt. Außerdem behaupten Kritiker, die Herstellung der Autos sei unmoralisch gewesen, weil sie von psychisch kranken Straftätern für ein geringes Entgelt gefertigt wurden. Besonders wichtig war dabei ein Dreifachmörder. Ein Mann mit einem Talent für den Modellbau, wie es nur wenige Menschen haben.

Die „Sapor“-Kunden zahlten dagegen etwa 15 000 D-Mark für ein Modell – später einen ähnlichen Betrag in Euro. Auf einer Versteigerung sollen sogar bis zu 100 000 Dollar für ein „Sapor“-Modell gezahlt worden sein. Eine Menge Geld – die entscheidende Frage ist aber, wie viel Gewinn wirklich hängen blieb. Berse sagt, er habe Zweifel daran, dass die Haderthauers den großen Reibach mit den Fahrzeugen machten. Denn, so der Experte, allein der Aufwand, ein solches Modell zu entwickeln, sei riesig – die Kosten: geschätzte 100 000 Euro.

Für ein industriell gefertigtes Fahrzeug erhält ein Modellauto-Produzent heute in der Regel Computerdaten vom Hersteller. Bei Oldtimern existieren diese aber nicht. Man muss sich zunächst ein Originalfahrzeug besorgen und dieses fotografieren – 500 bis 1000 Fotos müssten es mindestens sein, schätzt Berse. Selbst von den Details am Unterboden braucht es Bilder.

Im nächsten Schritt muss sich ein Experte überlegen, wie man nun dieses Auto in bis zu verschiedene 5000 Einzelteile zerlegt. Dann müssen Werkzeuge angeschafft werden. Es gebe bestimmte Teile, wie etwa den Speichenkranz, die man einfach an einer Drehmaschine fertigen könne, erklärt Berse. Doch es gebe auch unzählige Werkzeuge, die speziell angefertigt werden müssten: Der Kotflügel oder die Motorhaube eines Mercedes SSK etwa würden über einer Holz-Negativform gehämmert. Bei einer Auflage von maximal 25 Stück und dieser Vielzahl von Teilen ein gigantischer Aufwand.

Ob diese Arbeiten nun ein externer Werkzeugbauer oder gar die Leute in der Anstalt übernommen haben, kann auch Berse nicht sagen. „Diese Frage können nur Herr Haderthauer oder Herr Ponton beantworten.“ Haderthauer habe sich nach außen immer als der Entwickler der Autos gegeben. „Das nehme ich ihm aber nicht ab“, sagt der Fachmann. „Ich glaube nicht, dass er neben seiner Arbeit als Mediziner Zeit hatte, Modellteile zu entwickeln.“ Die fertigen Modelle – die meist an Kunden in Amerika gingen – habe Haderthauer laut eigener Aussage persönlich dorthin gebracht. „Auch das verursacht natürlich Kosten“, sagt Berse.

Mehrere Jahre habe er Haderthauer auf der Techno-Classica in Essen getroffen. Die Veranstaltung gilt als größte Oldtimer-Messe der Welt. „Dort findet man das Publikum, das einen Bentley oder einen Ferrari im Wert von mehreren Millionen Euro in der Garage stehen hat“, sagt Berse. Für jemanden, der sich so ein Fahrzeug leisten kann, seien 15 000 Euro für ein Modell mit Sicherheit kein Problem.

Die „Sapor“-Modelle weckten bei Journalist Berse natürlich sofort die Lust auf eine Geschichte. „Ich habe gleich gesagt: Ich will sehen, wie die Dinger gebaut werden.“ Doch Haderthauer habe das Ansinnen mehrmals abgelehnt. Aus Sicherheitsgründen sei keine Reportage von der Produktion möglich gewesen.