Ingolstadt
Abzocke mit der Amtsmasche

Ihre Briefe sehen aus wie Behörden-Post: So wollen mutmaßliche Betrüger Gewerbetreibende in die Abofalle locken

03.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:07 Uhr
Symbolbild Polizei −Foto: dpa

Ingolstadt/München (DK) Gewerbetreibende erhalten viel Post, auch von Behörden. Auf diesen Umstand setzen Unbekannte, um Firmenbetreiber mit amtlich anmutenden Schreiben in eine Abofalle zu locken. In der Region Ingolstadt haben dieser Tage etliche Betriebe solche Briefe bekommen. Die Kripo rät zur Vorsicht.

Die mutmaßliche Abzocke läuft unter der Überschrift "Eilige Mitteilung - Zentralisierung gewerblicher Daten". So steht es in einem zigfach verschickten Brief, wie ihn auch eine Schrobenhausener Freiberuflerin erhielt. "Die Zweigstelle in Leipzig übernimmt seit der internen Auflösung dezentraler Gewerbeverzeichnisse die Abwicklung der Gewerbeverzeichnisse in der Bundesrepublik Deutschland", heißt es darin. Sprache und Aufmachung suggerieren, dass es sich um behördliche Post handelt. Im Kopf ist ein stilisierter Bundesadler zu sehen, selbst ein "Aktenzeichen" gibt es. Das beigefügte Formular hat starke Ähnlichkeit mit Pendants vom Finanzamt oder von Kommunen, eine bewusst gewählte Aufmachung.

Der Tenor des Schreibens soll vermitteln, dass es eilig ist, als Frist wird der 11. März gesetzt. Es geht um eine "rechtzeitige zentrale Eintragung", wird den Empfängern weiß gemacht. Das Ganze solle "gebührenfrei" per Fax oder per Post zurückgeschickt werden. Im Anhang ist von der "Schrobenhausen.Gewerbe-Meldung.de" die Rede, der Ort wird jeweils an den Adressaten angepasst. Die Verantwortlichen sitzen angeblich am Gerichtsweg in Leipzig.

Wie Sie sich bei unseriösen Rechnungen verhalten sollen, dazu rät die IHK auf ihrer Internetseite. Den Link dazu finden Sie hier.

Die Faxnummer mag noch kostenlos sein, der Haken steckt im Kleingedruckten: "Es handelt sich nicht um ein gebührenfreies Register, sondern um ein kostenpflichtiges Angebot", steht da geschrieben. "Es ist behörden- und kammerunabhängig." Fakt ist: Wer das Formular unterschreibt, schließt ein Drei-Jahres-Abo für 1044 Euro zuzüglich Umsatzsteuer ab.

Inwieweit die Sache bindend und strafbar ist, müssen Juristen bewerten. Schließlich sollte jeder immer das Kleingedruckte lesen, bevor er unterzeichnet. Aber "es gibt viele Indizien, dass dieses Schreiben auf einen Schwindel ausgelegt ist", sagt Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium in Ingolstadt. Der stilisierte Bundesadler sei nur ein Hinweis dafür. "Das Thema Offertenschwindel beschäftigt uns schon lange", sagt sein Kollege Helmut Fink, der bei der Kripo Ingolstadt das Betrugskommissariat leitet. "Die Schreiben sind so verfasst, dass man sie schnell überfliegt, den Pferdefuß leicht übersieht und das vermeintliche Gratisangebot unterschreibt." Bis dann die Rechnung ins Haus flattert.

Die Briefe gehen zurzeit reihenweise heraus, verantwortlich zeichnet laut Fußnote die britische "Europe Reg Services Ltd.", zu der im Internet nichts zu finden ist - obwohl in Großbritannien alle Gesellschaften über ein öffentliches Portal abrufbar sein sollen. Die angegebene Adresse in Leipzig ist ein Wohnhaus und hat mit dem Gericht, wie der Straßenname vermuten lässt, rein gar nichts zu tun. Die Gesellschaft mit Sitz in Malta soll in der sächsischen Stadt ihre "zentrale Postverteilstelle" haben. Vieles spreche dafür, dass es sich um eine Briefkastenfirma handelt, glaubt die Polizei. 44 Anzeigen gegen die mutmaßlichen Abzocker sind ihr aktuell bekannt.

Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher. Viele Betroffene suchen anderswo Hilfe. "Bei uns gibt es eine Mitarbeiterin, die sich fast ausschließlich mit solchen Fällen befasst", sagt Tatjana Neuwald von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. "Diese Masche ist wie ein Fass ohne Boden, die Kaufleute fallen immer wieder darauf herein." Sie rät Betroffenen zum "Aussitzen", den Vertrag anzufechten und nicht zu bezahlen, auch wenn der Druck durch "Erinnerungen" steigt. Ähnlich sieht es auch Kommissariatsleiter Fink: "Aus meiner Erfahrung heraus ist da noch nie etwas eingeklagt worden."