In
Einbruchsbekämpfung per Algorithmus

01.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:43 Uhr

In Mittelfranken hat die Polizei eine Software namens Precobs im Einsatz - das Programm soll mit hoher
Wahrscheinlichkeit Zeit und Ort von Einbrüchen vorhersagen. Wie gut das klappt, ist allerdings schwer zu sagen.

Den Verbrechern immer einen Schritt voraus sein - das ist es wohl, was sich die meisten Polizisten wünschen. Und es scheint so, als ob die moderne Computertechnik diesen Wunsch wahr werden lässt - natürlich mit Einschränkungen. "Predictive Policing" nennt sich die vorausschauende Verbrechensbekämpfung im Fachjargon. Im Prinzip handelt es sich um eine Art Wettervorhersage - nur eben für Kriminalität. In den USA ist derartige Software längst Alltag, in Deutschland dagegen findet man so etwas noch eher selten. Doch es tut sich was. Bei der Münchner Polizei sowie beim Polizeipräsidium Mittelfranken ist seit etwa drei Jahren die Software Precobs (Pre Crime Observation System) im Einsatz. Sie soll dazu beitragen, die Zahl der Wohnungseinbrüche zu reduzieren.

Einer, der sich mit Precobs auskennt, ist Günter Lang. Der 55-Jährige ist Hauptkommissar im Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg und arbeitet dort im Sachgebiet Verbrechensbekämpfung. Hier laufen quasi die Fäden zusammen - das Team erstellt täglich einen Überblick über die Kriminalitätslage in ganz Mittelfranken. Auch die Precobs-Software wird in diesem Büro verwaltet. Wie sie den Beamten hilft? "Es ist ein kleiner Blick durchs Schlüsselloch in die Zukunft", sagt Lang. Das Programm soll praktisch vorhersagen, wann und wo höchstwahrscheinlich bald wieder eingebrochen wird.

In der Realität ist es selbstverständlich nicht so einfach. Die vom Institut für musterbasierte Prognosetechnik in Oberhausen entwickelte Software setzt auf den sogenannten Near-Repeat-Effekt. Es sei wissenschaftlich erwiesen, erklärt Lang, dass bei professionellen Einbrechern auf den ersten Einbruch innerhalb weniger Tage im näheren Umkreis meist ein zweiter, dritter oder gar ein vierter folgen. Der Grund: Für die Einbrecher ist es ein hoher Aufwand, ein attraktives Zielgebiet auszukundschaften - also versucht man möglichst viel "Profit" aus der Arbeit zu schlagen.

Bei der Einführung wurde das System von den Nürnberger Beamten mit den Einbruchsdaten der vergangenen sieben Jahren in Mittelfranken gefüttert. Daraus werden dann sogenannte Prognose-Gebiete errechnet. Denn nur wo halbwegs belastbare Zahlen vorliegen, funktioniert die Software. "Wir sammeln keine personenbezogenen Daten", betont Lang. Ins System werden nur anonymisierte Falldaten eingespeist: Tatzeit, Tatort, Art des Objekts (Reihenhaus, Mehrfamilienhaus o.ä.), Beute (Schmuck, Bargeld, Handys o.ä.) und Begehungsweise (Tür aufbrechen, Fenster einschlagen usw.). Jedes halbe Jahr werden die Prognosegebiete neu berechnet. "Im Sommer sehen die anders aus als im Winter."

Ins System eingelesen werden auch nur "Profi-Einbrüche". Denn Zufallstäter oder Beschaffungskriminelle, etwa Drogenabhängige, würden quasi jede Gelegenheit nutzen, um in ein Haus einzusteigen. Auch die Beute spielt eine Rolle bei der Einordnung: "Ein Profi-Einbrecher rennt nicht mit einem Fernseher auf der Straße herum", sagt Lang.

Glaubt das Programm bei einem Einbruch im Prognosegebiet nun einen drohenden "Folgeeinbruch" zu erkennen, löst es einen Alarm aus. Bei Günter Lang und seinen Kollegen poppt dann eine entsprechende Meldung auf - im Prinzip eine Karte mit einem markierten Gebiet, in dem die Täter nun innerhalb von sieben Tagen höchstwahrscheinlich wieder zuschlagen. Das Ganze wird dann mit einer Beschreibung des Tathergangs als E-Mail an die betreffende Dienststelle geschickt. Deren Aufgabe ist es nun - nach Möglichkeit - die Präsenz im entsprechenden Gebiet zu verstärken. Das soll Einbrecher abschrecken, erneut zuzuschlagen.

An dieser Stelle will Lang auch mit einem Missverständnis aufräumen: Die Software diene nicht in erster Linie dazu, Täter dingfest zu machen. Zwar komme das in Einzelfällen auch vor. Hauptziel sei aber, den Einbrechern die Tour zu vermasseln und dadurch die Einbruchszahlen zu senken. "Das Programm ist für uns sehr wichtig, um die Beamten möglichst effizient einzusetzen", sagt Lang. "Denn unsere Kräfte sind schließlich begrenzt."

Ein Einbruch ist für die Opfer meist ein einschneidendes Erlebnis. Sie leiden in der Regel nicht nur unter dem Verlust von Wertgegenständen. Es ist vor allem der Gedanke, dass jemand in den intimsten Lebensraum der Familie eingedrungen ist. "In den Wohnungen ist oft alles durchwühlt, der Schock sitzt meist tief", sagt Lang. "Viele haben große Schwierigkeiten, damit klarzukommen."

Wie steht es nun um den Erfolg des Programms? In den vergangenen beiden Jahren habe es in Mittelfranken einen "moderaten" Rückgang bei den Einbrüchen gegeben. Auf die Precobs-Software will Lang das aber nicht zurückführen. Dafür seien die Zahlen einfach nicht belastbar genug. "Wir wollen nicht von einer Wunderwaffe sprechen."

Die Software sei nur eine von mehreren Säulen bei der Einbruchsbekämpfung. Der wohl beste Schutz gegen Einbrecher seien immer noch aufmerksame Nachbarn, erklärt Lang. "Es ist extrem wichtig, dass die Menschen bei verdächtigen Beobachtungen und Geräuschen sofort bei uns anrufen", sagt der 55-Jährige.

Aktuell, sagt Lang, werde unter anderem daran geforscht, Wetterdaten mit in die Software aufzunehmen - für noch exaktere Prognosen. Damit stiege wohl die Wahrscheinlichkeit, dass es den Einbrechern ihren Beutezug verhagelt.