Großaitingen
70 000 Euro für ein Fliegengitter?

Kunde soll Schadensersatz wegen schlechter Amazon-Bewertung zahlen

23.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:39 Uhr

−Foto: dpa

Großaitingen (DK) Für 22,51 Euro hat sich Thomas Allrutz im Internet ein Fliegengitter gekauft. Nun soll er aber mehr als das 3000-fache bezahlen: Der Händler fordert nach einer schlechten Bewertung bei Amazon Schadensersatz. Am 25. Juni landet der Fall in Augsburg vor Gericht.

Im vergangenen Dezember bekam der 37-Jährige aus Großaitingen bei Augsburg einen dicken Brief vom Landgericht Augsburg. Nach dem Öffnen folgte der Schock: Mit dem Umschlag kam eine Klageschrift. Fast 70 000 Euro Schadensersatz soll er zahlen.

Im Juni 2013 hatte Allrutz das Fliegengitter über die Internetplattform Amazon bei einem Händler aus Baden-Württemberg bestellt. In seiner Bewertung im Internet lobte er später: „Die Lieferung erfolgte schnell!“ Dann aber kam die Passage, mit der sich nun die Justiz beschäftigen muss: Allrutz beklagte sich über eine fehlerhafte Anleitung, die dazu geführt habe, dass er das Gitter zu kurz abgeschnitten habe. Die Ware mache zwar einen stabilen Eindruck, aber für Allrutz war das Fazit klar: „Der Verkäufer nie wieder.“

Besonders geärgert habe er sich darüber, dass der Händler ihn bei einem Telefonat überhaupt nicht ernst genommen habe, sagt Allrutz. Mehrere E-Mails, die er im Anschluss bekommen habe, seien wenig hilfreich gewesen. Daher habe er die Bewertung verfasst und sich auch an das Unternehmen Amazon gewendet, von dem er schließlich seine 22,51 Euro wieder bekommen habe.

Allrutz ist in Sachen Heimwerken alles andere als unerfahren: Er habe zum Beispiel schon einmal einen Dachboden ausgebaut und dabei auch selbst die Heizung verlegt, sagt er. „Ich würde mich selbst als recht geschickten Heimwerker bezeichnen.“

Allrutz’ Anwalt Alexander Meyer hält die Bewertung seines Mandanten für völlig zulässig. Diese sei von der freien Meinungsäußerung gedeckt. „Es geht hier überhaupt nicht darum, die freie Meinungsäußerung zu verurteilen“, sagt der Rechtsvertreter des Händlers, Jan Morgenstern. Es sei aber eine falsche Tatsachenbehauptung, dass der Händler seinem Kunden nicht habe helfen wollen. Sein Mandant habe in den Mails seine Unterstützung angeboten und sogar einige Rechenbeispiele geschickt. Hinzu komme die falsche Tatsachenbehauptung, dass die Anleitung fehlerhaft gewesen sei. Meyer hält dem entgegen: Selbst wenn es eine Tatsachenbehauptung wäre, wäre diese dennoch korrekt, denn die Montageanleitung sei schlichtweg falsch.

Den Betrag von knapp 70 000 Euro, den Allrutz nun zahlen soll, hält Anwalt Morgenstern für gerechtfertigt. Denn aufgrund der Bewertung und der Beschwerde bei Amazon sei das Konto seines Mandanten bei dem Online-Versand gesperrt worden. Dadurch seien enorme Umsatzeinbußen entstanden. Meyer hält dies für wenig glaubwürdig. Bisher habe der Kläger keinen Beweis geliefert, dass die Beschwerde seines Mandanten der Grund für die Kontosperrung gewesen sei.

Davon, dass das Konto gesperrt worden sei, habe er erst durch die Klageschrift erfahren, sagt Allrutz: „Der Händler hat mir nach der Bewertung mit einer Unterlassungsklage gedroht und 651,80 Euro für Anwaltskosten von mir gefordert.“ In einem Mediationsverfahren habe man sich schließlich darauf geeinigt, dass er die Kritik lösche und dafür keine Kosten tragen müsse. „Das hat der Händler dann aber doch nicht akzeptiert und wollte noch 400 Euro von mir. Das habe ich aber abgelehnt“, sagt er. Anschließend habe er monatelang nichts mehr von der Sache gehört, bis die Klage im Briefkasten lag.

„Ich bin aus allen Wolken gefallen“, sagt der 37-Jährige, der als Außendienstmitarbeiter in der Transportbranche tätig ist. Zwar hätten bereits viele Juristen und Verbraucherschützer gesagt, dass sie der Klage keine großen Erfolgschancen beimessen. Dennoch litten er und seine Frau enorm unter der Situation. „Wenn ich wirklich 70 000 Euro zahlen muss, weiß ich nicht, was ich machen soll.“