Erlangen
Von der Universität einst verschmäht

Mehr als 5000 Pflanzen aus aller Welt machen den Botanischen Garten in Erlangen zum Paradies für Gartenforscher

24.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Aufklärungsarbeit wird im Botanischen Garten in Erlangen ganz groß geschrieben. - Foto: Pelke

Erlangen (HK) Von der arktischen Tundra bis zum tropischen Mangrovensumpf - im Botanischen Garten in Erlangen blüht und grünt im Auftrag der Wissenschaft so ziemlich alles, was die Gartengötter in den fränkischen Himmel sprießen lassen.

Mindestens 5000 Pflanzen aus aller Welt machen den Botanischen Garten in Erlangen zu einem wahren Paradies nicht nur für Gartenforscher. "Wahrscheinlich haben wir sogar sieben- oder achttausend Pflanzen hier", erklärt der technische Leiter, Claus Heuvemann, bei einem Frühlingsrundgang durch die Anlagen und Beete. "Wir haben auf jeden Fall zu viele Pflanzen. Gleichzeitig können wir nie genug davon haben", gibt der 47-Jährige unumwunden zu. Alleine 2000 Orchideen würden hier ungefähr wachsen. Ganz genau, wie gesagt, kann selbst der Fachmann das üppig wuchernde Grün nicht in Zahlen fassen. In den Beeten strecken derweil unzählige Tulpen ihre Köpfe in die Frühlingssonne.

"Jetzt fangen auch noch die Magnolien an", sagt Heuvemann voller Vorfreude auf die kommende Blütenpracht. Ein paar Schritte weiter wachsen die Arzneien, mit denen in Erlangen alles angefangen hat. "Diese Medizinpflanzen sind der eigentliche Ursprung für unseren Botanischen Garten", sagt Heuvemann. "Fast alle Arzneipflanzen sind ab einer bestimmten Dosis giftig. "Wir wollen den Besuchern daher zeigen, welche Pflanzen tatsächlich gefährlich sind."

Dabei habe der Botanische Garten besonders die Aufklärung besorgter Eltern im Blick. Die wüssten schließlich immer weniger über die grünen Gefahren, die aus der Erde wachsen und von neugierigen Kinderhänden gepflückt und gegessen werden können. "Wir wollen informieren und Wissen vermitteln, um so auch die Angst zu verringern", betont Heuvemann, der aus Ostwestfalen stammt und seit langem sein Herz an die Tochter einer Bamberger Gärtnerfamilie verloren hat.

Kräuter & Co. liegen voll im Trend. Besonders junge Leute hätten großes Interesse aber kaum Ahnung. Der Botanische Garten vermittelt Besuchern daher auch ganz praktisches Wissen und erklärt beispielsweise, worauf beim Pflücken von Bärlauch in freier Wildbahn zu achten ist. "Die Blätter vom Bärlauch kann man mit Herbstzeitlosen leicht verwechseln. Viele Zwiebelpflanzen haben diese einfachen, ganzrandingen Blätter." Der Laie könne die wahre Art häufig erst mit der Blüte erkennen. "Am Geruch lassen sie sich aber leicht unterscheiden."

In den Beeten nebenan werden dem Besucher die Beziehungen zwischen der Gestalt der Pflanze und ihrer Umwelt näher gebracht. Ein paar Schritte weiter sind ausgewählte Pflanzenarten nach verwandtschaftlichen Beziehungen angeordnet. Dazwischen ragen die gläsernen Gewächshäuser in die Höhe. Hier wuchert das Grün tropischer Regenwälder bei ganzjährig konstanten Freibadtemperaturen. Andere Gewächshäuser bieten "Durstkünstlern" ein artgerechtes Zuhause bei wüstenhafter Trockenheit.

Unter Glas gedeihen im Botanischen Garten in Erlangen auch Blumen und Pflanzen, die eigentlich nur unter der Sonne der kanarischen Inseln vorkommen. Dazu kommen Beete, die heimische Vegetationstypen zeigen, wie Sandmagerrasen, Laubwälder, Sumpfpflanzen, die Steppe und das Alpinenhaus, in dem Hochgebirgspflanzen mediterraner Gebirge zu sehen sind. "Momentan blühen die Alpenrosen und der Enzian." Die Leute würden immer denken, dass der blaue Enzian für den Schnaps verwendet wird. "Das stimmt nur leider nicht. Dafür wird dieser hier verwendet", sagt Heuvemann und zeigt mit den Finger auf einen Enzian, der erst im Spätsommer seine prächtigen, gelben Blüten zeigen wird. "Wir erhalten hier viele seltene heimische Pflanzenarten, die für die Wiederansiedlung verwendet werden können", erklärt Heuvemann. Dieser Beitrag zum Artenschutz sei für den Garten der Friedrich-Alexander-Universität ganz wichtig.

Erlangen ist in der Gartenwelt kein unbeschriebenes Blatt. Seit fast 200 Jahren wächst und gedeiht der Botanische Garten auf einem zwei Hektar großen Gelände am nördlichen Rand des Schlossgartens. Damit ist er einer der kleinsten seiner Art in Deutschland. Ganz nach dem Motto: Klein, aber oho. Mit Christian Friedrich Carl Alexander von Brandenburg-Ansbach gab im Jahr 1770 ein Markgraf den entscheidenden Anstoß, als der Monarch der Universität das Grundstück im Schlossgarten inklusive Gewächs- und Treibhäusern schenkte. Heute kaum zu glauben, dass die Universität das Geschenk zunächst verschmähte und erst später beackerte.

Was wünscht sich der Garten heute? "Wir wünschen uns immer nur Regen. Manchmal wünschen wir uns auch das Gegenteil", sagt Heuvemann und lacht. "Ich habe jede Woche eine neue Lieblingspflanze", gesteht der technische Leiter am Ende des Rundgangs durch "sein" Gartenparadies. "Mir gefällt die große Vielfalt hier." Weltweit sei diese leider durch den Klimawandel gefährdet. "Immer mehr Pflanzen sind von Krankheiten bedroht. Die Artenvielfalt nimmt weltweit ab. Da ist die Erfahrung von Botanischen Gärten ganz wichtig. Denn wir kultivieren zum Beispiel exotische Bäume seit Jahrhunderten und wissen, welche Ansprüche und Eigenschaften diese Pflanzen haben", sagt Heuvemann.