Eichstätt
Katholische Uni ohne Theologie?

10.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:05 Uhr

»Besser als ihr Ruf« ist die theologische Fakultät in Eichstätt nach den Worten von Bischof Gregor Maria Hanke. Derzeit sind hier 175 Studenten eingeschrieben. Sitz der Fakultät ist der »Ulmer Hof« - Foto: Schneider

Eichstätt/Rom (DK) Verliert die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) ihre theologische Fakultät? Wenn es nach dem Willen von Kardinal Reinhard Marx geht, offenbar Ja. Die Gelder könnte Marx gut für Berlin gebrauchen: Dort soll ein – wie auch immer gearteter – katholischer Campus eingerichtet werden.

Der Plan, Eichstätt gegen Berlin zu tauschen, stößt aber auf Widerstand.

Der Ruf, der der katholischen Theologie in Eichstätt vorauseilt, ist nicht der beste. Von misslungenen Lehrstuhlbesetzungen – vor allem in der Zeit unter Bischof Walter Mixa (1996 – 2005) – ist die Rede. Von sogenannten „Di-Mi-Do-Professoren“, die sich nicht wirklich in den Gesamtkontext der KU einbringen. Von einer eher schwachen Außenwahrnehmung und -darstellung.

Dabei geht der theologischen Bildung in Eichstätt eine lange Tradition voraus. Während des Kulturkampfs (1871 – 1887) und des Dritten Reiches studierten in Eichstätt hunderte Priesteramtskandidaten aus ganz Deutschland und darüber hinaus. 1939/40, als viele Lehranstalten schließen mussten, zählte Eichstätt 621 Theologiestudenten. Parallel dazu muss man das Priesterseminar sehen. Das erste jenseits der Alpen, das zweitälteste der Welt. Jahrhunderte hindurch wurde der Klerus dort akademisch ausgebildet. Eine jahrhundertelange Geschichte also, auf die die theologische Lehre und Forschung in der Bischofsstadt zurückblicken kann.

Heute sind noch 175 Studenten eingeschrieben. Überschaubar. Allerdings: „Die Fakultät ist besser als ihr Ruf“, zeigt sich Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke überzeugt. Wie aus einer Statistik der KU hervorgeht, sind in den vergangenen knapp vier Jahren mehrere Habilitationen und Promotionen abgeschlossen worden, die zudem Eingang in renommierte wissenschaftliche Reihen gefunden haben. Und auch die Forschungsarbeit ist anerkannt: An der Fakultät laufen derzeit zwei mit enormen Mitteln der DFG geförderte Forschungsvorhaben, im Oktober wird eine große Tagung in München zum Zweiten Vatikanum organisiert. Mehrere Professoren sind als Berater der deutschen Bischöfe tätig.

„Da tut sich einiges“, sagt KU-Präsidentin Gabriele Gien. Durch das im Entwicklungsplan festgeschriebene Studium generale fordere man zudem von der theologischen Fakultät ein stärkeres Engagement im universitären und interdisziplinären Austausch. Auch um ihrem augenscheinlich schlechten Ruf – den der derzeit amtierende Dekan der Fakultät, der Neutestament-ler Lothar Wehr, nicht nachvollziehen kann – entgegenzusteuern, soll es eine Potenzialanalyse geben. „Die Fakultät muss sich positionieren“, sagt Präsidentin Gien. „Wir wollen verlässliche Aussagen, wie wir uns weiterentwickeln können“, sagt Wehr.

Das ändert aber alles offenbar nichts an Marx’ Plan, die Fakultät über kurz oder lang dichtzumachen. Für ihn ist das dem Vernehmen nach klar durchdacht: Die theologische Fakultät in Eichstätt kommt weg, die frei werdenden (kirchlichen) Gelder könnten für eine akademische Präsenz der katholischen Kirche in Berlin verwendet werden.

Die Möglichkeit, mit einem Institut oder einem Zweitcampus in Berlin mitzuspielen, geistert schon länger durch die Köpfe kirchlicher Amtsträger. Allerdings, so versichert man in Rom, sollte sie nicht als Konkurrenz zu Eichstätt zu sehen sein. Die Hochschule an der Altmühl ist nämlich – als eine der wenigen weltweit – direkt vom Heiligen Stuhl errichtet, und zwar „in perpetuum“, wie es in der Errichtungsurkunde 1980 heißt – „für immer“. Viel mehr könnte, wenn es nach dem Vatikan geht, die KU bei einer akademischen Einrichtung in Berlin auch eine zentrale Rolle spielen.

Zurück zu den theologischen Fakultäten in Bayern, derer es noch fünf gibt. Mittelfristig, so ist zu erfahren, könnte man sich wohl auch eine Schließung der theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten in Bayern (wie bereits in Bamberg und Passau) vorstellen – mit Ausnahme von München und Würzburg. Wenn Eichstätt auch noch wegfällt, würde sich die theologische Ausbildung auf diese beiden Standorte in Bayern konzentrieren. Priesteramtskandidaten könnten dann nur noch dort studieren. Die Auflösung von Seminaren wäre die Konsequenz.

„In der heutigen Zeit wäre für mich eine Schließung der theologischen Fakultät in Eichstätt nicht nachvollziehbar“, sagt Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke. Angesichts der immer stärkeren Säkularisierung und Entfernung von der Kirche pocht Hanke auf eine von der Kirche getragene Fakultät. Eine Schließung bezeichnet Hanke indes als „fatal“.

Ähnlich äußert sich Lothar Wehr, der Dekan der theologischen Fakultät. „Die Uni ist um die Theologie herum entstanden, sie ist ihr Herz.“ Würde man den Lehrbetrieb einstellen, sieht Wehr den „Anfang vom Ende der KU“ kommen. Und weiter wäre das, so der Dekan, ein Signal über Bayern hinaus: „Wenn die einzige KU im deutschsprachigen Raum ihre Theologie abschafft, dann sehen sich vielleicht auch andere Landesregierungen ermutigt, die entsprechenden Fakultäten an ihren Unis zu schließen.“

Auch Papst Benedikt XVI. dürfte die Entwicklung mit Sorge beobachten. Joseph Ratzinger hatte 1980 als Erzbischof von München die KU mit aus der Taufe gehoben und immer wieder auf deren Bedeutung verwiesen, unter anderem beim Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe 2006: „In ihr (der KU, Anm. d. Red.) besitzt das katholische Deutschland eine hervorragende Stätte, an der eine Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen mit Problemen auf hohem akademischen Niveau und im Lichte des katholischen Glaubens geführt (...) werden kann.“

Offiziell würde sich der emeritierte Papst dazu aber wohl nicht mehr äußern. Allerdings bekommt der Eichstätter Bischof Hanke unvermittelt prominente Unterstützung aus Rom. Der frühere Chefhistoriker des Vatikan, Kardinal Walter Brandmüller, spricht sich in einem aktuellen, mehrseitigen aber noch unveröffentlichten Aufsatz, der unserer Zeitung vorliegt, sehr deutlich für die Theologie in Eichstätt aus.

„Die gesicherte Existenz der theologischen Fakultät an der Katholischen Universität Eichstätt ist für die Kirche nicht nur in Bayern, sondern im ganzen deutschen Sprachraum von Bedeutung“, schreibt Brandmüller. „Es ist an der Zeit und noch nicht zu spät, dass der deutsche Episkopat diese besonderen Möglichkeiten erkennt und nützt, die die Universität Eichstätt zu bieten vermag.“ Es handle sich nicht um eine „nur bayerische Angelegenheit, sondern um eine Chance und eine Aufgabe für alle deutschsprachigen Bistümer“. Beim Heiligen Stuhl stößt das Vorhaben des Münchner Erzbischofs und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz – ebenso wie bei einem Teil seiner bayerischen Amtsbrüder – auf Unverständnis und auch auf Ablehnung.

Die Schließung einer theologischen Fakultät fällt in die Zuständigkeit des Heiligen Stuhls – und da in das Aufgabenfeld der Kongregation für das Bildungswesen. Letztlich müsste auch das Konkordat dazu via Notenwechsel zwischen Bayern und Rom geändert werden. Wie aus dem Vatikan zu erfahren ist, sieht man dort derzeit keine Veranlassung, am „Status quo“ etwas zu ändern. Schließlich würde dann Deutschlands einzige Katholische Uni eine kirchliche Kaderschmiede verlieren. „Die Kirche sollte mit dem Pfund, das sie hier hat, wuchern“, sagt Dekan Wehr. Ein Ende der Theologie in Eichstätt würde „auch viele Laien enttäuschen“.

Der Münch-ner Kardinal – übrigens selbst Mitglied der Bildungskongregation – sieht das offenbar anders. Von ihm ist auf Anfrage aber keine Stellungnahme zu bekommen. Sein Sprecher verweist auf den Vorsitzenden des Stiftungsrates, Weihbischof Anton Losinger. Der will die Sache allerdings nicht kommentieren. Wer am Ende gewinnen wird, ist derzeit offen.