Burgheim
Eine Verkettung unglücklicher Umstände

Der Todesschuss bei Burgheim war ein Unfall – LKA-Gutachten bestätigt die bisherige Annahme der Polizei

27.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:58 Uhr

 

Burgheim (DK) Der tragische Tod eines Jägers auf Burgheimer Flur ist aus polizeilicher Sicht geklärt. Ein ballistisches Gutachten bestätigte jetzt zweifelsfrei die bisherige Annahme, dass es sich um einen Unfall handelte. „Da bleibt kein Raum mehr für Spekulationen“, sagte der Ingolstädter Kripochef Alfred Grob.

Auf der Wiese direkt neben der Staatsstraße zwischen den Burgheimer Ortsteilen Straß und Leidling im Kreis Neuburg-Schrobenhausen deutet nichts mehr auf das schreckliche Geschehen vom 4. März hin. Ein Gestell mit flatternden Trassierbändern soll das Wild vergrämen, wo die Jäger früher mit der Flinte unterwegs waren. Verschwunden ist die Bodenkanzel, in der Hannes G. (45) aus Österreich in jener Nacht auf Wildschweine angesessen war, verschwunden auch der exakt 361 Meter entfernt davon aufgestellte Bauwagen, wo ein 68 Jahre alter Jagdkamerad aus Tirol sein Repetiergewehr ebenso auf Schwarzkittel angelegt hatte – und dann einen Schuss abgefeuert haben soll, der den Freund in den Bauch traf. Hannes G. verblutete in kürzester Zeit. Der Freund fand ihn erst am Morgen in dem Unterstand, viele Stunden später.

Die tödliche Kugel stammte aus dem Gewehr des 68-Jährigen. Das stand anhand eines anderen, der Polizei bereits seit Monaten vorliegenden Gutachtens eindeutig fest. Aber hat sich das Geschehen tatsächlich so zugetragen, wie der mutmaßliche Schütze es zu Protokoll gegeben hatte? Demnach wäre das Projektil in einem extrem spitzen Winkel durch den vorderen Ausguck in die Kanzel eingedrungen, ohne irgendwo das Holz zu durchschlagen. Das Opfer müsste zudem gerade gestanden sein, obwohl die Sicht nach draußen damit unmöglich gewesen wäre. Hat der Mann sich gerade gestreckt oder zusätzliche Kleidung angelegt? Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Jedenfalls untermauert ein ballistisches Gutachten, das Dienstagnachmittag bei der Kripo eintraf, genau die Unfallversion.

„Es deutet überhaupt nichts auf eine vorsätzliche Tat hin“ widerspricht Helmut Walter, Behördenleiter der Staatsanwaltschaft in Ingolstadt, den Gerüchten, die im Umlauf sind. „An dem Fall ist nichts Merkwürdiges, das bestätigt das Gutachten.“ Der mutmaßliche Schütze habe wohl „den größten Fehler begangen, den man als Jäger begehen kann, und in die Richtung eines anderen geschossen“. Der Beschuldigte habe nun zwei Wochen Zeit, ergänzende Untersuchungen zu beantragen, falls er das für nötig erachte. Der Vorwurf gegen den 68-Jährigen laute weiter auf fahrlässige Tötung. Ob es eine öffentliche Gerichtsverhandlung geben oder die Sache auf schriftlichem Weg über einen Strafbefehl juristisch abgeschlossen wird, sei noch offen. „Darüber müssen wir intern noch sprechen.“

Der 68-Jährige hatte sich nach dem verhängnisvollen Schuss freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben, zumal er Selbstmordgedanken hegte. Inzwischen ist der Tiroler zurück in der Heimat. „Der Mann lebt jetzt sehr zurückgezogen und wirkt richtig bedrückt“, heißt es in seinem Umfeld. „Er muss erst noch lernen, mit dieser Schuld zurechtzukommen.“ Besonders bitter ist der Unglücksfall für die Lebensgefährtin des Getöteten. Sie hat einen gerade mal 22 Monate alten Sohn mit Hannes G. und erwartet von dem früheren Kfz-Mechaniker in diesem August noch ein weiteres Kind. Die Kleinen müssen nun ohne Vater aufwachsen.

Das jetzt vorliegende Gutachten bestätigt das Unfassbare. Die tödliche Gewehrkugel war von schräg vorne in die Bodenkanzel eingedrungen, hatte den Körper des 45-Jährigen durchschlagen und war seitlich im Nierenbereich wieder ausgetreten. Sie muss dann wohl gegen die Bretterwand geprallt sein und verfing sich im Rucksack des Österreichers. DNS-Spuren an dem Projektil vom Kaliber 7,62 mal 63 Millimeter stimmen mit der Erbgutstruktur des Toten überein. Der Schusskanal quer durch den Körper entspricht genau dem Winkel zwischen dem Bauwagen, in dem der 68-Jährige gesessen war, und dem Unterstand, wo der Tote sich befand.

„Das war eine Verkettung unglücklichster Umstände“, sagt Ingolstadts Kripochef Alfred Grob. „Das Ballistikgutachten bestätigt uns aber in unserer bisherigen Annahme des Hergangs. Es schließt aus, dass vielleicht ein Dritter im Spiel gewesen sein könnte oder dass hier jemand vorsätzlich ermordet worden ist.“

Ein gezielter Schuss aus so großer Entfernung wäre in jener Nacht wegen der schlechten Sicht gar nicht möglich gewesen, sagt Grob. Das Opfer wäre in der Kanzel gar nicht auszumachen gewesen. Eintrittswinkel und Flughöhe des Geschosses würden sich vielmehr mit der Unglücksthese decken; ebenso weise die errechnete Energie des Projektils beim Eintritt in den Körper darauf hin, dass der Schuss wirklich aus dem weit entfernten Bauwagen kam, nicht etwa aus nächster Nähe. „Ob der Ansitz waidgerecht abgelaufen ist, steht auf einem anderen Blatt.“

Das hatte auch Landrat Roland Weigert in Frage gestellt. Der Zustand des Reviers bei Leidling mit verfallenen Hochsitzen und anderen Missständen hatte ihn, der selber zur Jagd geht, gehörig in Rage gebracht. „Wir haben die Pächter veranlasst, für sichere Verhältnisse zu sorgen“, sagte er gestern. Nach außen wirkt jetzt alles in Ordnung. Und doch ist für viele nichts mehr, wie es war.