Weichenried
Der vielleicht kleinste Wahlkampfauftritt der Saison

CSU-Landtagskandidat Horst Seehofer wirbt in Weichenried um Stimmen

28.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:51 Uhr

Entspannt: Der Ministerpräsident mit Gattin und Bürgermeister bei der Arbeit an einem heißen Samstagabend - Foto: Petry

Weichenried (SZ) An einem Abend, an dem der Sommer geradezu aufsässig versucht, sich für die zehnmonatige, kalte, feuchte, nasse, eklige Heizperiode zu entschuldigen, an dem die Bayern trotz viel Pep verkloppt werden, an dem viele Menschen stöhnen, obwohl sie überwiegend gar nicht arbeiten müssen, ist auch für den Bayerischen Ministerpräsidenten nicht alles wie immer.

Gut, er wird sich daran gewöhnt haben, dass er nicht wie normale Menschen einfach aus seinem Auto aussteigen kann, sondern dass dieser Vorgang von Blasmusik untermalt wird, an diesem Tag zum gefühlt dritten oder vierten Mal. Er kennt das Blitzlichtgewitter, das nun über ihm hereinbricht, die ihn erwartungsvoll anstrahlenden Menschen. Und es ist sein Alltag, dass er den Weg vom Auto bis zur Bühne, auf der er gleich eine Rede halten wird, inmitten eines Menschenpulks absolviert, jeder Schritt begleitet von einem Trompetennachschlag der Blaskapelle. Und dann, ja dann schlägt ihm der Applaus von Tausenden Zuschauern, die seit Stunden seiner Ankunft harren entgegen. CSU-Fahnen werden geschwenkt, Blumenmädchen springen ihm entgegen. Naja, diesmal eher nicht.

Die Blaskapelle ist da, aber es sind gerademal 120, mit gutem Willen 130 Zuschauer, die ihn erwarten, hier, am Vorabend des alljährlichen St. Anna Fest in Weichenried, das der Bürgermeister zum Wahlkampfspektakel aufgepeppt hat – gut ein Viertel der Bevölkerung des Hohenwarter Ortsteils also. Etliche andere Bürger wären durchaus in der Nähe, sie halten aber dezent Abstand zum berühmten Gast, kicken weiter im Hof einem Ball hinterher, sprengen noch den Rasen fertig oder beobachten das Spektakel da unten vom Balkon im ersten Stock aus.

Der Applaus beim Einmarsch ist verhalten, es ist viel zu heiß für allzu enthusiastische Bewegungen. Dafür sitzt Gattin Karin schon da, die nach der Ankunft des Konvois dezent aus der Staatskarosse geschlüpft war, als alle Aufmerksamkeit ihrem Mann galt. Ob sie „Hallo Schatz!“ oder etwas anderes in der Art sagt, geht im nächsten Stück der Blaskapelle unter.

Horst Seehofer ist fast pünktlich, dem stehen lokalen CSU-Granden in nichts nach. Begrüßung durch den Pfaffenhofener Kreisvorsitzenden Ludwig Wayand und seinen Neuburg-Schrobenhausener Kollegen Alfred Lengler, dann ein Grußwort des Hausherrn, Manfred Russer, der sich gleich noch einmal für die Verlegung der B 300 einspreitzt – das alles ist in sechs Minuten erledigt. Dann darf er ran, der Mann, der hier Wahlkämpfer ist. Bundesminister, Bundesratsvorsitzender, Bundespräsident, das war er alles schon, Landtagsabgeordneter noch nicht.

Die Kulisse ist ungewohnt klein, was insofern gut ist, als nach zwei Minuten die Lautsprecheranlage ausfällt. Hier kann der Landtagskandidat auch ohne Mikrofon sprechen, und jeder versteht ihn. Das ZDF-Team, das ihn beim Wahlkampfauftritt in Weichenried begleitet, hat eh seine eigenen Mikrofone, jede Silbe wird danach dennoch auf Band sein.

Seehofer macht nicht auf Obama, er lässt das Sakko an, auch wenn es verdammt heiß ist. Ein paar vereinzelte Schweißperlen sammeln sich auf der Ministerpräsidentenstirn, allzu viele wagen es nicht.

Dass die Idee, im eben erst konstruierten, Gerolfing-nahen Stimmkreis zu kandidieren, nicht auf seinem Mist gewachsen ist, wiederholt Seehofer ja seit geraumer Zeit mantramäßig, auch heute. „Auf Wunsch von Alfred Lengler“, so lautet die genaue Formulierung. Weil der Herr Gachenbacher Bürgermeister es sich vom Ministerpräsidenten so gewünscht hat, also. Sollte noch jemand Wünsche an den Ministerpräsidenten haben – Alfred Lengler ist der Mann, über den man sie nach oben weiter leiten sollte.

Seehofer zeigt sich selbstbewusst. Fürs ZDF und für die versprengten Zuschauer im intimen Kreis. „Ich kenne kein Bundesland, kein Land, das sich mit Bayern messen könnte!“, sagt er. Später spricht er vom „gelobten Land“, vom „Fünf-Sterne-Land“ und womöglich folgen noch einige Superlative mehr, die dann doch der Akustik zum Opfer fallen, so ganz ohne Mikrofon. Er sagt nichts davon ohne sein schelmisches Seehofer-Grinsen. Im Fall der Fälle könnte er sich hernach immer darauf herausreden, dass das ja nicht bierernst gemeint gewesen sein. Wie damals beim Söder und so.

Das mit der Parteipolitik, mit Programmatischem, lässt er heute sein. Viel zu heiß. Seehofer kann eine Stunde auch anders amüsant verstreichen lassen, indem er so tut als würde er aus dem Nähkästchen plaudern. Das geht dann ungefähr so: Er wolle seine Zeit als künftiger Landtagsabgeordneter nicht beenden, ehe nicht Weichenried seine Ortsumgehung habe. Es gebe nämlich eine Verpflichtung gegenüber der Natur und gegenüber den Menschen. „Wir werden die B 300 verlegen, und wir werden auch die Finanzierung hinbekommen“, sagt er. Und genau deshalb sei die Pkw-Maut auch so wichtig. Wie er die hinkriegen will? „Wer die starke Kanzlerin unterschätzt, der hat schon verloren“, sagt er und grinst. „Man muss mit ihr lange reden, bis man Recht bekommt. Ich setze da auch auf Ermüdung.“ Ein Ankommer.

Und so geht das Plauderstündchen weiter, mit den mehr oder weniger bekannten Sprüchen. Wowereit findet Berlin arm, aber sexy, die Bayern seien „reich, aber nicht blöd.“ Und im Gegensatz zu den Schwaben, die bekanntlich „alles außer Hochdeutsch“ können, seien die Bayern selbst dazu in der Lage, betont er, und zitiert gleich eine aktuelle Schülerstudie, die genau das untermauert.

Um 21.05 Uhr gibt es Blumen für die Gattin und ein Geschenkpaket aus dem Hause Regens Wagner für den Kandidaten, ein paar warme Worte des Dankes vom Bürgermeister, die Bayernhymne anstelle von „Time to say good-bye“ und dann sind sie auch schon wieder auf und davon, die Seehofers, am Ende des womöglich kleinsten, intimstens Wahlkampfauftritts des Jahres an einem ganz besonders heißen Abend, an dem nicht alles so ist, wie es sonst ist.