Schrobenhausen
"Mit Freude und Stolz dabei"

Michael Koppold war bei den Olympischen Spielen 1972 als Zeitnehmer beschäftigt

18.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Schrobenhausen (SZ) Während die Olympischen Spiele in Rio in den Endspurt gehen, denkt Michael Koppold aus Langenmosen gerne auch mal an die Spiele von 1972 zurück. Damals war der Mann, der heute als Spielerberater in der Bundesliga tätig ist, selbst dabei, wenn auch nicht als Sportler.

Herr Koppold, Sie waren bei Olympia '72 dabei. Was genau haben Sie damals gemacht?

Michael Koppold: Ich bin von der Bundeswehr in Ingolstadt aus als Zeitnehmer hingeschickt worden. Ich und meine Kollegen waren hauptsächlich an der heutigen Ruder-Regattastrecke in Oberschleißheim. Dort gab es eben die Regattawettbewerbe des Kanurennsports und des Ruderns. Der Wildwassersport, also der Kanuslalom, wurde dann im Eiskanal in Augsburg ausgetragen, da waren wir dann natürlich auch dabei. Ich war damals der Chefzeitnehmer.

 

Und wie genau kann man sich Ihre Aufgaben vorstellen?

Koppold: Also, die Durchfahrtszeit beim Rudern war damals elektronisch, aber die Zwischenzeit musste von mir und meinen Bundeswehrkollegen festgehalten werden. Man hat zwei Knöpfe und sichtbar vor sich eine Linie gehabt, bei der die Boote durchgefahren sind. Jeder Zeitnehmer hat seine Bootsnummern gehabt, auf die er achten musste. Insgesamt waren das entweder sechs oder acht Boote. Und wenn die über die Linie gefahren sind, musste man auf seine Knöpfe drücken. Ich habe dann die Bootsnummern durchgesagt, die gerade durchgefahren sind. Aus diesem Grund hatte ich damals auch Kopfhörer auf. Nebenbei habe ich auch auf meine Boote achten müssen. Allerdings war es im Grunde egal, ob ein Boot um Zweizehntel oder so schneller war, weil es sich ja nur um die Zwischenzeit gehandelt hat. Aber ich war und bin immer noch sehr stolz darauf, dass ich das damals durchsagen durfte. Das hat ja auch jeder über Lautsprecher gehört (lacht).

 

Waren Sie dann auch direkt im Olympiastadion?

Koppold: Oh ja, ich war auch direkt dort und auch im Olympischen Dorf. Wenn wir mit dem Zeitnehmen fertig waren, sind wir da oft noch mit einem Shuttle-Bus reingefahren. Man muss dazu sagen, dass man damals überall Zugang hatte. Und das Olympische Dorf war für mich wie ein Volksfest. Es gab überall Stände, die Länder waren aufgeteilt und alle Teilnehmer waren da vertreten. Ich war da wirklich mit Freude und Stolz dabei. Alles war vom Feinsten.

 

Waren Sie auch am großen Eröffnungstag und bei der Schlussfeier dabei?

Koppold: Bei der Eröffnungsfeier war ich nicht dabei, aber bei der Schlussfeier. Und auch sonst waren wir im Grunde bei jeder Veranstaltung dabei, die es gab. Bis zu dieser Geiselnahme, ab da ist dann alles anders geworden . . .

 

Am Morgen des 5. September wurden elf israelische Teilnehmer von palästinensischen Attentätern entführt. Die Befreiungsaktion der Geiseln scheiterte damals. Waren Sie an diesem Tag auch in München?

Koppold: Wir hätten auch an diesem Tag da sein müssen, aber dann gab es keine Veranstaltung mehr. Es wurde an diesem Trauertag dann alles abgesagt. Ich habe all das damals nur im Fernsehen verfolgt.

 

Haben sich die Spiele nach diesem Schreckenstag verändert?

Koppold: Das hat damals alles verändert. Alles war anders. Im Stadion, auf der Tribüne, hinter den Kulissen. Überall. Die Stimmung war hinterher nichts mehr. Es war zwar immer noch Olympia, und wenn jemand Gold gewonnen hat, dann hat sich der bestimmt auch gefreut. Aber ich glaube, in diesen Momenten haben die Sieger versucht, das alles zu verdrängen. Aber generell war diese Stimmung, die vorher da war, diese Begeisterung im Olympischen Dorf . . . nicht mehr da. Da standen alle ziemlich unter Schock und jeder hat immer daran gedacht. Du hast ja nicht gewusst, ob vielleicht noch etwas passiert. Überall standen auf einmal Sicherheitsmänner herum. Wir durften dann auch leider nicht mehr ins Olympische Dorf und das war sehr schade. Da wurde alles abgesperrt.

 

Denken Sie, wenn Sie an Olympia '72 zurückdenken, im Nachhinein vor allem an diese Geiselnahme ?

Koppold: Um ehrlich zu sein, nein. Die Tage davor waren einfach ein Erlebnis. Ich habe so viel unglaubliche Leute gesehen und kennengelernt. Ich bin zum Beispiel zehn Meter neben Silvia von Schweden im Olympischen Dorf spazieren gegangen, da war sie noch gar keine Königin. Ich habe mit Olympiasiegern zu Mittag gegessen, ich saß mit einer Ulrike Meyfarth am Tisch. Ich habe den heutigen IOC-Präsidenten Thomas Bach kennengelernt. Das sind Momente, die unvergessen bleiben. Ich bin so dankbar und stolz, dass ich mit solchen Leuten zu tun haben durfte. Das würde ich jedem wünschen, der mal die Chance hat, bei Olympia dabei zu sein.

 

Damals war Joachim Fuchsberger der Stadionsprecher. Hatten Sie auch Kontakt zu ihm?

Koppold: Also, damals habe ich nur einmal kurz mit ihm geredet. Ich habe mir sogar ein Autogramm geholt. Der Kontakt kam erst später. Durch meinen Fußball-Bekanntenkreis habe ich ihn damals oft in München gesehen und irgendwann hat man sich dann angefreundet. Das ist Wahnsinn, dass man solche Leute dann kennenlernt, die man früher nur aus dem Fernsehen kannte. Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich Leute wie Joachim Fuchsberger persönlich kennenlernen durfte.

 

Haben Sie dann nach 1972 noch mal die Olympischen Spiele besucht?

Koppold: Nein, die Spiele habe ich mir privat dann nicht mehr vor Ort angesehen. Ich verfolge aber die Spiele noch heute begeistert im Fernsehen. Obwohl sich im Vergleich zu früher natürlich einiges verändert hat.

 

Wie meinen Sie das genau?

Koppold: Also, damals war das einfach eine Ehre, bei den Olympischen Spielen mitmachen zu dürfen. Heute ist es leider fast nur noch so, dass dabei das Geld, die Show und die Politik im Vordergrund stehen. Das hat langsam nichts mehr mit Sport zu tun. Es geht nur noch um den Gewinn. Das ist ja in meiner Branche heute genauso, aber ich möchte bei so was nicht mitmachen. Ich möchte sauberen Sport haben. Aber wenn man das heute alles sieht, auch mit Russland . . .

 

Sie sprechen von den Dopingvorwürfen?

Koppold: Ja, unter anderem. Ich meine, damals waren bestimmt auch Sportler gedopt, aber nicht in dem Ausmaß von heute. Oft haben die Sportler damals gar nicht gewusst, dass sie gedopt wurden. Ihnen wurde einfach dieses Zeug gegeben und sie mussten es schlucken, ohne nachzufragen. Und dazu kommt eben, dass heute alles politisch gesteuert ist und möglichst gewinnbringend sein muss. Meiner Meinung nach war das bei Olympia '72 eben nicht so. Da war es eine Ehre, dabei sein zu dürfen.