Schrobenhausen
Gelungene Premiere

Großer Andrang herrschte beim ersten Pflegetreffen, das künftig monatlich stattfinden soll

23.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

Das erste Pflegetreffen, das Ute Natzer (r.) und Brigitte Behrendt (2.v.r., stehend) im Haus der Begegnung organisiert haben, wurde gut angenommen - Foto: Ute De Pascale

Schrobenhausen (SZ) Sich den Kummer von der Seele zu reden stand beim ersten Abend zum Thema Pflege klar im Vordergrund, zu dem Brigitte Behrendt und Ute Natzer ins Haus der Begegnung geladen hatten.

Ziemlich schnell entwickeln sich bei diesem Treffen tiefe Gespräche, erzählen die Menschen offen von ihren Schicksalen und wie sie die zu meistern versuchen. Die Sorgen, mit denen sie täglich zu kämpfen haben, sind vielfältig: Krankheiten wie Schlaganfälle, Krebs, Parkinson oder Demenz sind das, Halluzinationen, unter denen einige der Pflegebedürftigen nach Medikamenteneinnahme leiden, andere sitzen seit Jahren im Rollstuhl. Manche Teilnehmer berichten auch von Streit oder Charakter-Veränderungen bei den Pflegepersonen. Und sie erzählen vom teils schwierigen Umgang mit den zu Pflegenden, die teils nicht mit ihrem Schicksal klar kommen.

So verschieden die Probleme auch sein mögen, vieles erleben Menschen, die Angehörige pflegen, ähnlich – seien es Einschränkungen im Alltag, psychische wie körperliche Belastungen oder der Zwiespalt zwischen dem Leben mit der eigenen Familie und der Pflegeperson. „Man ist innerlich zerrissen zwischen Helfen wollen und schlechtem Gewissen, wenn man es nicht tut“, bringt eine Teilnehmerin auf den Punkt, was viele empfinden. Häufig fällt an diesem Abend das Wort „Gratwanderung“. Denn schließlich sind sie oft genug auch selbst nicht mehr die Rüstigsten.

Häufig ist alles ein Prozess für beide Parteien, für andere wiederum kam alles ganz überraschend. „Du bist auf einen Schlag wie eingesperrt“, sagt eine Dame. „Man opfert so viel – wie weit muss man eigentlich verzichten“, fragt eine weitere Dame, denn irgendwo müsse man ja auch selber Kraft schöpfen. Ganz schwierig sei das Thema Urlaub, sind sich die Diskussions-Teilnehmer einig. Dabei wäre gerade eine Auszeit zwischendrin so wichtig, versichert Brigitte Behrendt. Ihre Erfahrungen auf dem Gebiet des Coachings zeigten: „Bei Burn-out spielt beispielsweise ganz oft die Pflege einer Person eine entscheidende Rolle“. Auch Ute Natzer zeigt viel Verständnis für die Menschen, bringt immer wieder ihre eigenen Erfahrungen in die Diskussion ein.

Vor allem von großer Ehrlichkeit ist dieses erste Treffen zum Thema Pflege geprägt. „Der Gedanke an die Zukunft macht mir Angst“, gesteht eine Dame. Deshalb sei sie hier – zu wissen, dass es anderen ähnlich geht, nehme die Angst ein bisschen. „Manchmal bin ich am Boden“, gibt eine andere Dame zu. Mitunter fühle man sich auch mal ausgenutzt, wenn Dinge andernorts plötzlich möglich sind, wozu der Pflegebedürftige daheim doch angeblich dringend Hilfe benötigt. Auch zu Aggressionen komme es: „Sieh zu, dass du rauskommst“, bekomme sie manchmal zu hören, erzählt eine Teilnehmerin. „Dann bin ich wieder ganz unten.“

Hilfe sei ja schön und gut – aber die müsse vom zu Pflegenden auch angenommen werden, so ein weiteres Problem, das viele kennen. So berichtet eine der Damen von ihrem Mann: In eine Tagesstätte? Will er nicht. Ein Lift, der ihn aus der Badewanne hebt? Braucht er nicht. Die dringend nötige Knie-OP? Lehnt er ab. Und auch an dem Punkt, wo gut gemeinte Ratschläge von Außenstehenden nur noch nerven, seien sie schon gewesen, versichern viele.

Oft sei der Umgang mit Pflegepersonen auch von Unsicherheiten geprägt, so ein weiterer Tenor der Diskussion. „Ich weiß nicht, wie weit ich meinen Mann einschränken darf, ohne ihm seine Würde zu nehmen“ oder „Ich neige dazu, meinen Eltern zu viel abzunehmen“. Wichtig sei, die Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten, versichert Brigitte Behrendt. Und sich selbst im Blick zu behalten: „Wenn es uns nicht gut geht, sind wir nicht so stark, das zu leisten, was wir leisten müssten“.

Was sich die Teilnehmer von dieser Gruppe erhoffen ist ganz verschieden: Psychologische Unterstützung, Informationen über Hilfsangebote, oder schlicht: „Ich bin hier, weil ich Angst habe vor dem, was kommt“. Weil so viel Interesse da ist, beschließen Brigitte Behrendt und Ute Natzer schließlich, die Treffen künftig monatlich abzuhalten.