Siefhofen
"In Wirklichkeit braucht man nur einen Deppen"

SZ trifft Sepp Ilg aus Siefhofen, der die Sonntagsreden vieler Politiker zur Bedeutung des Ehrenamts gründlich satthat

30.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

"Was soll das", fragt sich Sepp Ilg auf seiner Schaukel, die er bei Vereinsfesten nicht mehr aufhängen darf. Er hält die meisten Politikerreden zum Ehrenamt für verlogen. - Foto: Wöhrle

Siefhofen (SZ) Er ist 77 Jahre alt und kein bisschen müde. Im Gegenteil: Sepp Ilg aus Siefhofen kann sich noch so richtig aufregen, wenn ihm etwas nicht passt. Und da gibt es so einiges, was in den Augen des rüstigen Rentners schief läuft.

Vor allem, wenn man so manche Politikerrede mit der Wirklichkeit vergleicht. Sepp Ilg ärgert sich schon seit Jahren über die Sonntagsreden, die gerne zur Bedeutung des Ehrenamts gehalten werden. In keiner Festzeltrede darf sie fehlen, die Passage, in der der Redner die Ehrenamtlichen lobt und darauf hinweist, dass es ohne freiwillige Helfer nicht geht.

Mit solchen Reden wird der Bürger für dumm verkauft, findet Sepp Ilg. Er sieht die Sache so: "In Wirklichkeit braucht man einen Deppen, der bei Bedarf den Kopf hinhalten muss." Dies gelte insbesondere für Vereinschefs. "Wenn was passiert, ist der Vorsitzende persönlich haftbar", empört sich Ilg über die rechtlichen Vorgaben und fordert: "Das Haftungsrecht muss geändert werden."

Für ihn ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Vereine immer schwerer damit tun, noch Führungspersonal zu finden. Denn wer wolle schon Verantwortung für Dinge übernehmen, für die er nichts kann. "Wenn ich auf ein Vereinsfest gehe und hinfalle, dann ist der Vorsitzende verantwortlich. Das kann doch nicht sein", findet Ilg, der selbst viele Jahre stellvertretender Vorsitzender und Jugendbetreuer der Enzianschützen Lampertshofen war.

Sepp Ilgs Empörung hat einen konkreten Anlass. Der Tüftler hat eine Reihe von Spielgeräten gebaut, die er bei Festen zur Unterhaltung der Kinder aufstellt, darunter auch eine zehn Zentimeter über der Erde schwingende Reifenschaukel. Als er sie zuletzt bei einem Vereinsfest an den Ast eines Baumes hängen und mit einer Eisenkette sichern wollte, wurde er von der Vereinsführung davon abgehalten. Die Begründung: "Wenn was passiert, dann sind wir dran."

Der Rentner hat einerseits Verständnis für diese Haltung, andererseits aber auch wieder nicht. "Die Kinder lieben die Schaukel", weiß er von vielen Festen, bei denen sie zum Einsatz kam. "Da kann überhaupt nichts passieren." Die Verantwortung dafür, dass er ein harmloses Spielgerät nicht mehr zum Einsatz bringen darf, liegt seiner Meinung nach bei einer ausufernden Bürokratie. "Wir haben in Deutschland einen Paragrafendschungel mit Bestimmungen zu allem und jedem", schimpft Ilg. Seine Schaukel jedenfalls wird trotzdem nicht eingemottet. Sie hängt jetzt im eigenen Garten in einem Baum.