Neuburg
Finanzielle Stolpersteine auf dem Bildungsweg

Bei manchen Flüchtlingen in den Asylklassen der Berufsschule gefährdet die Bafög-Regelung den Lebensunterhalt

24.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:04 Uhr

Ernste Gesichter bei Caritas-Sozialarbeiterin Simone Oberleiter, Tanja Kolb und Flüchtling Mohammad Ibrahimi, der „einen guten Job in Deutschland finden und hier mein Leben aufbauen“ will. Doch das Geld für den Lebensunterhalt wurde ihm gestrichen, weil er das Berufsintegrationsjahr besucht - Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Sie sind jung und arbeitswillig, strebten den Hauptschulabschluss am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum in Neuburg an. Doch seit Schuljahresbeginn hat das Jobcenter drei Flüchtlingen die Zahlungen für den Lebensunterhalt eingestellt. Zwei haben die Schule bereits verlassen. Beim dritten steht es auf der Kippe.

Mohammad Ibrahimi ist auf der Suche nach einem Minijob, den er nebenher machen kann. Noch besucht er das Berufsintegrationsjahr (BIJ). Wovon er lebt? „Ich leihe mir von Freunden“, sagt er. „Wenn die Solidarität unter den Flüchtlingen nicht so groß wäre, hätte er nichts zum Essen“, verdeutlicht Traumtheaterleiterin Tanja Kolb, die das Ganze als „Verschleuderung von Ressourcen, von Kompetenzen junger Menschen“ ansieht. Die Vorklasse zum BIJ hatte nicht nur Ibrahimi, sondern auch die beiden anderen erfolgreich absolviert. Im September erfuhren sie dann, dass sie keine Grundsicherung mehr bekommen, weil das BIJ grundsätzlich Bafög-fähig sei. „Das Jobcenter hat mir gesagt, ich soll mich von der Schule abmelden, dann bekomme ich wieder Geld“, erzählt der 21-Jährige. Im Grunde sind sich alle einig. „Es kann nicht sein, dass jemand, der nichts tut, Geld bekommt, und wer in die Schule geht, keins erhält“, bringt es Berufsschulleiter Fritz Füßl auf den Punkt. Fakt ist aber, dass Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel nach Paragraf 25 (3) Aufenthaltsgesetz theoretisch Bafög-Anspruch im BIJ haben. „Für uns ein Ausschlusstatbestand“, erklärt Geschäftsführer Josef Girtner vom Jobcenter Neuburg, „wir dürfen nicht zahlen, unabhängig davon, ob sie tatsächlich Bafög bekommen“.

Das sei mit der Regionaldirektion in Nürnberg abgesprochen. Girtner, der die Situation persönlich sehr bedauert, spricht von einer „Verquickung mehrerer Gesetze“. Das Kultusministerium „hatte bei der Regionaldirektion vor zirka einem Jahr eine Änderung angemahnt“, so Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums. Passiert ist nichts, außer dass die Schüler des im Vorjahr begonnenen Projektes nun ins BIJ kamen. „Im Grunde betrifft es alle 32“, sagt Füßl. Da aber viele nur geduldet sind, erhalten sie noch Geld vom Jobcenter. Da sich ihr Aufenthaltsstatus im Laufe des Jahres ändern kann, weiß er nicht, wie viele es noch treffen wird. „Alle drei Betroffenen hatten hervorragende Aussichten – sowohl von den schulischen Leistungen als auch von ihrem Status her“, betont Füßl. Bafög erhält nur, wer mindestens vier Jahre ununterbrochen in Deutschland lebt. Das erfüllten zwei nicht, darunter Ibrahimi, der erst drei Jahre in Neuburg lebt. Der andere hat die Schule verlassen, um sich mit Hilfsarbeiten über Wasser zu halten. Der dritte hätte zwar Bafög bekommen, aber 450 Euro reichten nicht, hat er Füßl erklärt, da das Zimmer in der Asylbewerberunterkunft 200 Euro koste.

Eine ähnliche Rechnung macht Kolb für Ibrahimi auf. Selbst ein 450-Euro-Job werde nicht helfen. Er müsse 198 Euro für das Zimmer zahlen, sich krankenversichern und dann bliebe nicht genug für Essen und Kleidung. 391 Euro betrug der Satz des Jobcenters bisher, plus Unterkunft und Krankenversicherung. Kolb bezweifelt auch, dass die Zeit reicht. Von 8 bis 15.30 Uhr sind die Schüler in der Schule, dazu kommen bis zu zwei Stunden für Lernen und Hausaufgabenbetreuung beim Traumtheater. Plus Minijob macht bei Mindestlohn etwa einen Zwölfstundentag.

Umgesetzt werden die Bestimmungen wohl unterschiedlich. Aus anderen Landkreisen hat Sozialarbeiterin Simone Oberleiter von der Caritas von unbürokratischen Zwischenlösungen gehört. Ab 2016 solle das Bafög neu geregelt werden, erzählt sie.

Doch ihre Schützlinge brauchen jetzt Hilfe. Eine Schulunterbrechung sei sinnlos, ergänzt Kolb. Für ihr ehrenamtliches Engagement sieht sie sich mit allen anderen Unterstützern und Netzwerkern für Flüchtlinge „regelrecht abgewatscht“. Dabei würde Ibrahimi so gern eine Ausbildung machen. Möglicherweise steht eine politische Lösung ins Haus.