Schrobenhausen
Hier herrscht höchste Konzentration

Ein Blick hinter die Kulissen der chirurgischen Abteilung am Kreiskrankenhaus

29.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr
Dagmar Wittor, Andreas Limberger und Claus Urbahn in der Angio-Suite. −Foto: Heidrun Budke

Schrobenhausen (SZ) Hier wird geschnitten: In der Chirurgie ist zu jeder Zeit höchste Konzentration angesagt. Das ist kein Job für schwache Nerven.

Die Augen von Claus Urbahn strahlen, als er erklärt, was man mit dem großen, aber elegant wirkenden Gerät in der Angio-Suite so alles machen kann: drehen nach rechts und links, vorwärts, rückwärts, rauf, runter. Damit kann er sich einen sehr detaillierten Überblick über die Gefäße etwa in den Beinen eines Patienten verschaffen.

Trotz der Beweglichkeit des Apparates braucht der Chirurg anscheinend eine gewisse körperliche Fitness: „Man steht nicht immer bequem“, sagt Urbahn, leitender Oberarzt im Bereich Allgemein- und Viszeralchirurgie, „und braucht eine gute Rückenmuskulatur.“ Denn unter der violetten OP-Kleidung tragen alle in der Angio-Suite eine komplette Schutzausrüstung, die aus Bleischürze, Bleijacke und Halskragen zum Schutz der Schilddrüse besteht. Das ist richtig schwer, aber notwendig, da das Gerät mit Röntgenstrahlung funktioniert. Auch ein Dosimeter ist Pflicht, das die aufgenommene Strahlung aufzeichnet und einmal monatlich ausgewertet wird.

„Vor 15 Jahren war ich als Frau in der Chirurgie eher ein Kuriosum.“

Dagmar Wittor, Chirurgin am Kreiskrankenhaus

 

Neben Fitness gehört offensichtlich handwerkliches Geschick zu der Tätigkeit als Chirurg oder als Chirurgin. „Vor 15 Jahren“, sagt Dagmar Wittor, die sich vor allem auf die endovenöse Lasertherapie von Krampfadern spezialisiert hat, „war ich als Frau in der Chirurgie eher ein Kuriosum.“ Heute sei fast die Hälfte der Mediziner am Kreiskrankenhaus weiblich, schätzt sie. „Das Handwerkliche in der Allgemeinchirurgie hat mir gefallen, als ich in der Ausbildung die Abteilungen durchlaufen habe; da bin ich dann einfach hängengeblieben“, erzählt Andreas Limberger. Zuerst habe er damals für die Lufthansa den Pilotentest gemacht: „Da haben sie von 6000 Bewerbern 18 genommen. Ich war nicht dabei.“ Bei seinen ersten Operationen 1994 sei er schon aufgeregt gewesen, obwohl man langsam herangeführt werde. Aber „im Leichenpräparierkurs waren die Leute ja kalt und dann sind sie plötzlich alle warm“, zwinkert Limberger mit speziellem Chirurgenhumor.

Jetzt ist er Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Arzt für Notfallmedizin, medizinische Informatik und Ernährungsmediziner DAEM/DGEM. Das klingt nach ziemlich viel Qualifikation und breit gefächertem Gebiet. „Man guckt einfach, was kann man anbieten und als Standortvorteil gegenüber anderen heraussuchen“, erklärt Limberger. Vor allem in der interventionellen Medizin sei man in Schrobenhausen sehr früh gut aufgestellt gewesen. Neben dem mehrere Seiten füllenden Leistungsspektrum der Allgemeinchirurgie hat das Kreiskrankenhaus aber wohl vor allem einen Vorteil durch die direkte Kommunikation. Dagmar Wittor erzählt: „Ich hatte einen Patienten mit Schmerzen in der Leiste. Der war vorher in einem großen Haus, wurde durch viele Abteilungen geschickt und war zwölf Stunden dort. Danach ging er mit einen Dreizeiler zum Hausarzt, da stand; Diagnose unklar. Das passiert in Schrobenhausen so nicht, denn die Fachärzte sprechen miteinander und versuchen, eine Lösung zu finden.“

Trotzdem müsse man natürlich seine Grenzen kennen, so Limberger. Als Kreiskrankenhaus, denn manche Krankheiten können nur im großen Haus, manche OPs nur bei dem Maximalversorger durchgeführt werden. Aber auch als Mediziner, ergänzt Urbahn: „Kritik von anderen Berufsgruppen oder Patienten anzunehmen, das ist ein guter Weg und erkennen, dass der Prozess des Lernens nie aufhören wird.“ Die Patienten informieren sich selber gut im Internet und grundsätzlich mache es mehr Spaß, sich mit einem Patienten zu unterhalten, der ein bisschen Bescheid wisse, meint Limberger. Und Wittor ergänzt: „Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Man muss nur aufpassen, dass es das richtige Pferd ist, was er reitet.“ Manchmal müsse man als Ärztin schon etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten oder der Patient lehne das ab, was der Chirurg für sinnvoll halte. Dann müsse man einen Konsens finden, stellt Andreas Limberger klar. Man müsse gut beraten und manches mit Augenmaß machen, denn „die Hypotheken, die die immer älter werdenden Patienten in die OP mitbringen, sind höher als bei jungen Menschen“. Aber letztlich sei die Rückmeldung durch den Patienten nach der Behandlung die beste Qualitätskontrolle. Limberger: „Man will ja den Leuten, wenn man über die Straße geht, in die Augen gucken können.“