Königsmoos
Ist ihre einsame Reise bald endlich vorbei?

Streunerin Mathilda ist verletzt aufgegriffen worden, jetzt muss sie dringend operiert werden und sucht ein Zuhause

24.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:10 Uhr

Das ist Mathilda: Die Hundedame streunte ein halbes Jahr herrenlos durch die Gegend um Stengelheim. - Foto: Tierparkservice

Königsmoos (SZ) Ein halbes Jahr war Mathilda unterwegs, war auf sich alleine gestellt im kalten Winter und überlebte nur knapp einen Autounfall. Jetzt ist es Tierschützern gelungen, die schwarze Hündin mit den traurigen Augen einzufangen. Doch von den Besitzern fehlt jede Spur und die Hundedame muss dringend operiert werden.

Die Dunkelheit ist längst eingebrochen. Um 22 Uhr fehlt noch immer jede Spur von Mathilda. Der Zeiger der Uhr klettert schließlich auf 23 Uhr, auf Mitternacht, es wird ein dann zwei Uhr. Doch da ist nichts, nur die schwarze Nacht und schwere Regentropfen. Und dann plötzlich, mittlerweile ist es schon drei Uhr, taucht die Hündin auf und nähert sich der Futterstelle. Sie humpelt. Und die Helfer sind plötzlich wieder hellwach. Wird Heino Krannichs Pfeil mit dem Narkotikum die pechschwarze Hündin treffen?

Es sind Szenen einer spannenden Hunderettungsaktion, die sich erst vor wenigen Tagen in Stengelheim abspielten. Ob Mathilda ausgesetzt worden oder ausgebüxt ist - man weiß es nicht. Doch schon vor einem halben Jahr fällt Anwohnern in den Königsmooser Gemeindeteilen Stengelheim und Ober- und Untermaxfeld der schwarze, scheinbar herrenlose Hund auf. Voller Sorge wenden sie sich an den Verein Tierfreunde der Region Ingolstadt, kurz TRI. Gemeinsam mit besorgten Anwohnern im Raum Königsmoos starten die Tierfreunde deshalb die Aktion "Mathilda" - so hatten sie die schwarze Hündin kurzerhand getauft.

Doch alle Versuche, den Hund mit Futter anzulocken, scheitern. Auch die beiden Lebendfallen, die der TRI zur Verfügung stellt, trickst das Tier geschickt aus. Denn Mathilda ist nicht nur sehr flink, sondern auch äußerst vorsichtig. Statt mit einer zutraulichen Haushündin haben die Helfer es mit einem verängstigtem Tier zu tun. Was mag diesem armen Hund nur zugestoßen sein? Eine Frage, die die Helfer sich bis heute nicht nur einmal gestellt haben.

Und dann der Schock Anfang Februar: Mathilda wird von einem Auto angefahren, sie ist schwer verletzt, kann ein Bein nicht mehr bewegen - und der TRI sieht sich gezwungen, härtere Geschütze aufzufahren, um das Tier doch noch retten zu können. Ein Profi für Distanznarkose muss her. Leicht ist der allerdings nicht zu finden. Trotz ausgiebiger Internetrecherchen, Nachfragen bei Behörden, Jägern und Ämtern, in der näheren Umgebung gibt es keinen, der die nötige Berechtigung zum Schießen mit einem Betäubungsgewehr besitzt. Doch schließlich stoßen die Tierfreunde auf Heino Krannich aus dem über 500 Kilometer entfernten Coppenbrügge in der Nähe von Hannover. Der "Großwildjäger mit dem Narkosegewehr", wie er sich selbst betitelt, hat schon viele Streuner eingefangen - und er erweist sich auch im Fall Mathilda als der richtige Mann.

Gemeinsam mit den Helfern des TRI präpariert er die Futterstelle, an der Mathilda in der Nacht häufiger gesichtet wurde. An die möglichen Fluchtwege der Hündin, drapieren sich Helfer. Tierparkservice-Mitarbeiter Heino Krannich geht rund sieben Metern von der Futterstelle mit seinem Betäubungsgewehr in Stellung. Mit jeder Minute die ins Land zieht steigt die Spannung bei den Helfern. Erst nach fünf Stunden langem Wartens, taucht die Hündin plötzlich in der Dunkelheit auf. Per Handy informieren die Helfer Krannich in seinem Versteck. Auch er kann Mathilda nun sehen. Es dauert nur einen kurzen Augenblick, ein scharfer Pfiff hallt durch die Nacht und die Hündin ist getroffen - und ergreift, allen versperrten Fluchtwegen zum Trotz, sofort die Flucht in den Schutz der Dunkelheit.

Dass die Hundedame selbst verletzt und nun auch noch narkotisiert noch eine solche Kraft aufbringen würde, damit hat keiner gerechnet. Jetzt heißt es handeln, vor allem schnell. Denn die Narkose würde höchstens zwei bis drei Stunden anhalten, das ist allen Beteiligten klar. Aber wie findet man einen rabenschwarzen Hund in einer rabenschwarzen Nacht? Den Helfern bleibt nichts anderes übrig, als systematisch jeden Meter der umliegenden Straßen und Äcker abzugehen. Wieder vergehen zwei Stunden, ehe Heino Krannichs Fährtenhund Bruno Alarm schlägt. Und tatsächlich, über einen halben Kilometer von der Abschussstelle entfernt finden die Tierfreunde Hündin Mathilda.

Mittlerweile ist es fünf Uhr und die Helfer sind durchgefroren und nass. Aber sie geben nicht auf, nicht jetzt. Sie bringen die Hündin zur Erstuntersuchung zu einem Tierarzt nach Neuburg. Dort wird klar: Der Autounfall hat die linke Hüfte des Tieres stark verletzt, sie braucht ein neues Hüftgelenk und das schnell - innerhalb der nächsten 14 Tage muss sie operiert werden, um je wieder schmerzfrei gehen zu können.

Das Problem: Von Mathildas Besitzern fehlt jede Spur und die notwendige Hüftoperation des Hundes kostet zwischen 1000 und 3000 Euro. Viel Geld, auch für den Ingolstädter Tierfreundeverein. Denn schon die Einfangaktion und die Arbeit von Profi Heino Krannich haben ein großes Loch in die Vereinskasse gerissen. Derzeit befindet sich die menschenscheue Hündin in einer hundeerfahrenen Pflegestelle, die sie nach und nach für ein Leben mit Menschen sozialisieren wird. Der Hündin geht es den Umständen entsprechend gut, doch sie hat immer noch Schmerzen. Die nächsten Wochen werden nun entscheiden, ob Mathilda ein neues Leben geschenkt bekommt und womöglich jemanden findet, der ihr ein Zuhause und so viel Liebe schenkt, dass sie ihre schlimmen Monate als verletzte Streunerin vergessen kann.

"Ich hoffe einfach, dass wir jemanden finden, der sie aufnimmt und ihr Albtraum ein Ende hat", sagt Angelika Meyer-Kanthak, die Vorsitzende der Ingolstädter Tierfreunde.